Eine zweite Chance
bereit.
»Hört mal, erinnert ihr euch an das Kullmyrstorpet hier oben im Wald?«
»Nein, was ist das?« Susanna schüttelte den Kopf. Sie waren in dem Ort aufgewachsen, in den Anna-Karin mittlerweile zum Einkaufen fuhr, und so weit hatten sich ihre Kindheitsspiele nicht erstreckt.
»Du meinst dieses baufällige Häuschen, wo wir immer heimlich geraucht haben?«
»Habt ihr das?«
»Ja, wir sind mit dem Moped hingefahren.«
»Das hast du nie erzählt.« Jonas lächelte Niklas zu.
Anna-Karin fuhr fort. »Es gehört jedenfalls mit zu diesem Hof, und wenn Lasse und ich jetzt erben, gehört es uns. Ich wollte euch fragen, ob ihr daran interessiert seid. Freilich braucht es eine gewisse Renovierung, aber es liegt schön da oben im Wald.«
Blicke kreuzten sich über dem Tisch. Zum ersten Mal wurde es still.
»Was meinst du mit interessiert?« Susanna nahm einen Schluck Wasser.
»Als Sommerhäuschen hier in eurer Heimat, das ihr ganz für euch haben könnt.«
»Aber wir sind ja nicht so oft hier. Und wenn, dann wohnen wir doch bei dir. Wir kommen doch her, um dich zu treffen.«
»Ich dachte nur, wenn ihr etwas hättet, das euch gehört, würdet ihr vielleicht ein bisschen öfter herkommen wollen.«
Niklas füllte sein Glas nach. Susanna sah zum Fenster. Jonas’ Gabel schob ein übrig gebliebenes Stück Zwiebel über den Teller.
»Ich kann ja nur für David und mich sprechen, und für uns kommt es nicht in Frage.« Susannas Blick ruhte noch auf der dunklen Fensterscheibe.
Anna-Karin trank einen Schluck Wein. »Eines Tages wird der Hof hier euch gehören, und es wäre schade, wenn ihr davor den Kontakt mit dem Ort ganz und gar verloren hättet.«
In diesem Moment hörte man ein Klopfen an der Haustür. Anna-Karin seufzte. Die alltäglichen Kümmernisse drängten sich auf, und eins davon stand da draußen auf der Treppe und störte. Jemand anderes hatte hier wohl kaum etwas zu suchen. Anna-Karin stand widerwillig auf, um zur Tür zu gehen. Wenn sie nicht aufmachte, würden die Kinder sich wundern.
In der Diele bahnte sie sich ihren Weg zwischen Stiefeln und Schuhen und bekam nasse Strümpfe. Sie öffnete die Tür, und ihr Gesicht verfinsterte sich. Der Anblick von Helena reichte aus, um sie wütend zu machen. Aber diesen Abend sollte niemand zerstören dürfen. »Ich habe gerade keine Zeit, ich habe die Kinder hier, und wir sitzen beim Essen.«
»Das habe ich mir gedacht, ich habe die Partylichter gesehen und will nicht stören. Ich wollte nur vorbeikommen und mich entschuldigen für das, was ich gesagt habe, und weil ich dich nicht unterstützt habe, was Verner angeht.«
Erst wurde Anna-Karin noch ärgerlicher. Herkommen und sich entschuldigen, als wäre damit alles gut. Es gab allerdings einiges, was sie auch sagen wollte. Aber nicht vor den Kindern, das musste warten. »Wir müssen ein anderes Mal darüber sprechen.« Danach wollte sie die Tür schließen, aber die Kinder waren schon in die Diele gekommen, um Guten Tag zu sagen. Susanna streckte ihre Hand aus. »Das ist lange her.«
»Hallo, Susanna, geht es euch gut?«
»Alles bestens. Und du, wie läuft es mit dem Hotel?«
»Danke, ich schlage mich durch, so gut es geht, mit der tollen Unterstützung eurer Mutter.«
Anna-Karin sah Helenas geheucheltes Lächeln, das in ihre Richtung geschickt wurde. Sie wandte den Blick ab. Nichts würde zwischen ihnen je wieder so sein, wie es gewesen war, das spürte sie jetzt deutlich. Helenas Entschuldigung änderte nichts. Etwas war zerstört, wenn es überhaupt von Anfang an heil gewesen war.
Niklas drängelte sich vor. »Hallo, ich bin Niklas.«
»Helena. Nett, dich wiederzusehen.«
»Helena. Schön, dich endlich zu treffen.«
»Willst du nicht auf ein Glas Wein hereinkommen?«
»Nein, nein, ich will wirklich nicht stören, ich bin gerade zu Hause am Kochen.«
Jonas war in der Küchentür stehen geblieben, es war kein Platz mehr in der Diele. Jetzt streckte er seine Hand in dem Gedränge vor.
»Hallo, Jonas heiße ich, ich bin Niklas’ Freund. Also ich meine … ich teile die Wohnung mit Niklas.«
Die Handblumen für die Beerdigung. Sie hatte den Blumenladen doch gebeten, sie bei der Kirche abzuliefern? Doch, das hatte sie getan, zusammen mit dem Kranz. Unterlage aus Eichenblättern, weiße Lilien, weiße Rosen, weiße Nelken, weißes Schleierkraut. Warum starrten alle sie an? Alle außer Jonas, der schaute zu Niklas hin.
Anna-Karin klatschte in die Hände. »Nein, jetzt gehen wir hinein und essen
Weitere Kostenlose Bücher