Eine zweite Chance
allein. Am Samstagabend sind sie bei Mikaela zum Essen eingeladen, Mikaela, die Gast im Hotel gewesen war. Können wir ja machen, sagt Emelie und tut so, als ob sie von nichts wüsste. Sie will gern einen genaueren Blick auf die Zicke werfen, die ihren Vater verhext hat. Aber der Abend wird nicht so, wie sie es erwartet hatte. Ihr Hass wird plötzlich von einer unerwünschten Sympathie gestört.
Am Sonntag, im Zug nach Hause, lastet das schlechte Gewissen auf ihr. Sie hat Spaß mit Papa gehabt, während ihre Mutter allein und traurig war. Und wenn sie ehrlich ist, hatte sie tatsächlich auch Spaß mit Mikaela.
Wenn ich den Atem anhalte, bis ich zur Küchentür komme, wird alles gut werden.
Emelie ging weiter auf das Hotel zu, hielt eine Weile den Atem an, wurde es dann aber leid. Das da war nur Quatsch, denn jetzt gab es ein richtiges Projekt, das sie vorantreiben konnte. Dieses Projekt hieß Anders Strandberg. Er würde ihre Rettung sein. Sie musste ihn dazu bringen, sich wirklich wohlzufühlen. Ihn überreden zu bleiben und ihr die Verantwortung abzunehmen.
Wenn ich dafür sorge, dass sie sich verlieben, wird jetzt alles gut werden. Dann kann ich endlich nach Stockholm ziehen und bei Papa und Mikaela wohnen.
Kapitel 21
Partylichter brannten auf den Zaunpfählen vor dem Hof der Anderssons. Anna-Karin war draußen gewesen und hatte sie angezündet, damit die Kinder sich willkommen fühlten. Endlich kamen sie nach Hause zu Besuch, und Anna-Karin wollte jeden Augenblick genießen. Ein gemeinsames Wochenende, das letzte war schon so lange her. Obwohl Helgas Beerdigung der Anlass war, spürte sie die Vorfreude. Auch das war mittlerweile eine Seltenheit geworden. Und weder Lasse noch Lisbeth oder Helena würden die Freude über diese kostbaren Tage dämpfen, drei Tage lang würden die Kinder ihr gehören. Der Kühlschrank war mit Leckereien gefüllt. Mit solchen, von denen sie annahm, dass sie ihnen schmeckten. Am Nachmittag war sie mit dem Bus zum Laden gefahren, die Kinder hatten versprochen, unterwegs den Wein zu besorgen.
Aus der Küche duftete es nach Pfifferlingen, auf dem Herd köchelte ein Elchragout, die Kartoffeln lagen geschält im Topf, und der Tisch war festlich gedeckt. Johannisbeerengelee von der Ernte des Vorjahrs und selbstgezüchtete, eingelegte Tomaten. Während des Nachmittags war sie oben auf dem Dachboden gewesen und hatte in ihren Umzugskartons gekramt. Hatte das Geschirr hervorgeholt, das sie aus ihrer Kindheit kannte, und Helgas im Schrank stehen gelassen. Ein bisschen Nostalgie könnte dem Heimweh der Kinder auf die Sprünge helfen.
In der Erwartung ihrer Ankunft saß sie am Fenster und schaute hinaus. Nebelschwaden schwebten über den Feldern, wie Atem aus der warmen Erde. Der Himmel spielte noch in allen Farben, im Westen glühte er rosa. Der Schimmer strich über das Land, und im letzten zitternden Moment der Dämmerung verwandelte sich die Welt dort draußen. Alles bekam einen anderen Glanz. Sacht ermattete das Licht, und der Zauber wurde in dem Moment gebrochen, als der letzte Sonnenstreifen verschwand und die abendliche Dunkelheit die Oberhand gewann.
Ihr Handy piepste. Eine SMS von Susanna.
Wir sind in etwa 30 Min. da. Sollen wir noch etwas anderes einkaufen?
Sie tippte eine Antwort. Nein. Fahrt vorsichtig. Denkt an die Elchgefahr! Willkommen!
Sie hatte sie seit Weihnachten nicht gesehen. Niklas traf sie nur bei den seltenen Gelegenheiten, wenn sie selbst nach Stockholm fuhr, aber er rief jeden Monat an. Susanna hingegen kam mehrmals im Jahr. Sie hatte gestern angerufen und gesagt, David könne sich nicht freinehmen. Er war selten dabei, wenn Susanna nach Hause kam, was für sie teilweise auch eine Erleichterung bedeutete. Höflich und an Großstadtfinessen gewöhnt, machte er Anna-Karin oft nervös. Sogar die Wahl des Essens wurde zur Qual, was konnte sie einem wie ihm anbieten? Sie rief Susanna vorher immer an, aber ihre Besorgnis wurde von der Tochter nur abgewimmelt. Sie war eher irritiert und behauptete, dass ihm alles recht wäre. Zugleich ärgerte es Anna-Karin, dass David fast nie mitkam. Besonders jetzt zu Helgas Beerdigung. Aber er war sich wohl zu gut für das Norrlandspack, ob sie nun lebten oder tot waren. Jonas hingegen würde mitkommen. Niklas hatte angerufen und gesagt, er kenne sich mit Computern gut aus und könne ihr dabei helfen, den zu installieren, den sie ihr zu Weihnachten geschenkt hatten. Das kam jetzt gerade wie gerufen, denn an Helenas Computer im
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