Eine zweite Chance
als zu arbeiten. Einer von uns muss eine andere Arbeit annehmen, und damit sind wir wieder genau dort angelangt, was wir in Stockholm eigentlich hinter uns lassen wollten. Nur noch schlimmer, im Hinblick darauf, wie viel Arbeit noch vor uns liegt.«
»Wenn wir die Konferenzräume oben auf dem Heuboden ausbauen, werden die Finanzen stimmen.«
»Sind es unsere Freunde, gegenüber denen du es peinlich findest?«
»Was denn?«
»Einzugestehen, dass der Umzug und das Hotel ein Fehler waren.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Niemand wird dich für gescheitert halten, nur weil wir zurückziehen.«
»Ist mir doch egal, was sie meinen.«
»Aha, seit wann denn das?« Es wird still. Ihre Mutter antwortet nicht. »Was ist es sonst? Warum willst du unbedingt hier wohnen bleiben? Was ist es, was du so phantastisch findest? Ist es die Nähe zur Natur, obwohl wir die nie genießen können? Anna-Karin, die vorbeikommt und einen widerlichen Schwulenwitz erzählt? Vielleicht die herrliche Ruhe hier auf dem Land? Wir schaffen es ja nicht einmal mehr, miteinander zu reden, wir arbeiten mehr, als wir es daheim in Stockholm getan haben.«
»Und Emelie? Jetzt, da sie endlich angefangen hat, Fuß zu fassen?«
»Du weißt genauso gut wie ich, dass Emelie am liebsten zurückziehen will. Das hat sie zuletzt noch vor ein paar Tagen gesagt.«
»Nicht zu mir.«
»Nein, vielleicht hat sie eingesehen, dass das keine gute Idee ist.« Es wird so lange still, dass Emelie sich fragt, was da draußen geschieht. Ob sie es vielleicht verpasst hat, dass die beiden gegangen sind. Dann spricht ihr Vater wieder. »Helena, lass uns ehrlich sein, Stockholm war nie das Problem.«
»Wie meinst du das?«
»Wir wollten eine Veränderung. Wir dachten, ein Hotel in Norrland wäre die Lösung. Aber sieh nur, was daraus geworden ist. Was hat sich eigentlich verändert, außer der Umgebung? Es war nicht Stockholm, nicht unsere Berufe, nichts von alldem, worauf wir es geschoben haben, war das eigentliche Problem. Es waren du und ich, Helena, wir, und unsere Beziehung.«
»So empfinde ich das nicht, was sollte daran falsch sein?«
Ihr Vater schnaubt, ein unangenehmer Laut, der sie genauso erschreckt wie seine Worte.
»Wir können ja mit einem so kleinen Detail wie unserem Sexleben anfangen.« Emelie zieht die Tür zu, denn das will sie nicht hören. Aber die Wand zur Küche ist zu dünn. »Wie lange ist das jetzt her? Ein paar Jahre? Damals habe ich aufgehört, mich dir zu nähern, ich habe genau gespürt, dass du es eigentlich nicht willst. So ist es doch, oder?« Sie hält die Hände über die Ohren, aber das steigert ihr Unbehagen nur. Etwas Bedrohliches geschieht auf der anderen Seite der Wand, sie muss sich vergewissern, wie gefährlich es ist. Lautlos öffnet sie die Tür einen Spalt weit.
»Ich habe versucht zu akzeptieren, dass du nicht willst, ich habe gehofft, dass es vorübergeht. Aber mir fällt es vielleicht schwerer als dir, ohne jede Zärtlichkeit zu leben. Mir fehlt unser Sexleben, und mir fehlt deine Aufmerksamkeit.« Stille. Nur das Geräusch ihres eigenen Herzschlags. »Antworte mir ehrlich, Helena, wozu brauchst du mich eigentlich? Außer zum Tischlern und Streichen oder um einfache Besorgungen zu erledigen?«
»Empfindest du das so?«
»Ja. Ich empfinde es so.«
»Du bist doch mein Mann, wir sind eine Familie.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Wozu ich dich brauche. Ich … ich bin gerne mit dir zusammen. Du bist klug und witzig und ein toller Vater.«
»Aber wir machen doch nie etwas zusammen. Mehr als den Alltag zu bewältigen.«
»Ist das denn so schlecht?«
»Weiß du, was ich glaube? Ich glaube, dass ich mehr eine alte Gewohnheit geworden bin, jemand, den du gewohnt bist um dich zu haben, der aber eigentlich nicht besonders interessant ist.«
»Warum sagst du das? Ich kann mir kein Leben ohne dich vorstellen.«
»Bist du dir da so sicher? Geht es nicht eher darum, dass du dir kein Leben ohne unsere kleine Familie vorstellen kannst?«
»Das ist doch wohl dasselbe?«
»Nein, das ist es nicht. Jedenfalls nicht für mich.« Das Telefon klingelt, aber das scheint niemanden zu kümmern. Schon das ist beunruhigend. Eine Ewigkeit vergeht, ehe das Klingeln aufhört. »Wenn ich nun so wichtig für dich bin und du weißt, dass ich mich nicht wohlfühle, wie kommt es dann, dass wir weiter hier oben wohnen?«
»Ich wusste ja nicht, dass du das so empfindest.«
»Aber jetzt, da du es weißt, bedeutet das, dass wir
Weitere Kostenlose Bücher