Eine zweite Chance
Jimi Hendrix, Jeff Beck, Peter Green, Jimmy Page und Ritchie Blackmore. Jedes eroberte Solo führte auf neue Ebenen und zu neuen Mysterien, die zu enträtseln waren. Die Gitarre war immer da und zog ihn in ihren Bann, es war nicht mehr möglich, Langeweile zu haben. Er war ein Alchimist auf der Jagd nach der richtigen Formel, unterwegs in einem endlosen Reich. Er überschritt Grenze für Grenze, ohne jemals anzukommen. Es gab immer noch etwas zu spielen, etwas Neues zu lernen.
Das euphorische Gefühl, in etwas gut zu sein.
Der Zukunftstraum, eines Tages genauso hervorragend zu sein wie seine Vorbilder, die Kunst, Tonfolgen herauszuzaubern, die die Welt noch nie gehört hatte. Das Instrument mit solch einer Vollendung zu beherrschen, als wäre es ein Teil seines eigenen Körpers. Geld hatte er keins, aber das, was er sich wünschte, war ohnehin nicht zu kaufen – der Preis war die Zeit und die einzige Begrenzung die Ausdauer.
Und Ausdauer besaß er reichlich.
Sein Gitarrenlehrer war von seiner Begabung beeindruckt. Er spielte auf Konzerten der Kunst- und Musikschule, und ein Traum ging in Erfüllung, als man ihm anbot, in einer der besten Bands der Stadt zu spielen. Immer der Jüngste, aber trotzdem herausragend, und für das Geld, das er bei den Auftritten verdiente, kaufte er sich eine Gibson-Gitarre.
In der Teenagerzeit wurde alles andere beiseitegeschoben. Er hatte seine Berufung gefunden und sah keinen Grund, sie für etwas anderes zu vergeuden. Jetzt waren es Gitarristen wie Angus Young, Eddie Van Halen, Mark Knopfler und Rory Gallagher, die seinen Weg über die Saiten führten. Neue Ikonen und Vorbilder, die ihm vollkommen neue Möglichkeiten aufzeigten. Er lernte alles über Gitarren. Sah sie als Kunstwerke mit ganz besonderer Eigenart und eigenem Ton, jede Einzelheit fand er fesselnd.
Nur manchmal holte ihn ein seltsames Gefühl ein. Der Ursprung für seine Leidenschaft war eigentlich ein schmerzhafter Verlust gewesen, aus dem sich nun ein Glücksgefühl entwickelt hatte. Aber war es dann überhaupt erlaubt, sich darüber zu freuen?
Dann kam die erste Liebe. Nicht vorsichtig, fragend, ob er, der schon so viel verloren hatte, trotzdem dieses Spiel spielen wollte. Nein, vom ersten Moment an ergriff sie Besitz von ihm. Mit weit geöffnetem Herz hungerte er nach Liebe, seine Sehnsucht schien bodenlos, und er ließ sie bedingungslos in sein tiefstes Inneres. Er ließ sich überwältigen, wollte ganz und gar in ihr aufgehen, bis sie beide in eins zusammengeflossen waren und er nicht mehr wusste, wessen Herz es war, das schlug.
Katarina hieß sie, und beide waren sie siebzehn.
Sie stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus, in dem im Gegensatz zu dem seinen Leben herrschte. Am Esstisch wurden laute Diskussionen geführt, ohne dass sie deswegen zerstritten waren. Es waren nur verschiedene Ansichten, die geäußert wurden, ohne dass man sich einig sein musste. Die Eltern betrieben eine Kartonagenfabrik und waren, soweit er wusste, die Einzigen in Huskvarna, die auf dem Grundstück einen Swimmingpool hatten. Er kam mit allen in der Familie gut zurecht. Katarina hatte zwei Schwestern, und ihr Vater, der sich auf der Männerfront einsam gefühlt hatte, sah in ihm einen willkommenen Zuwachs. Er gehörte wieder in einen Zusammenhang und verbrachte seine Zeit lieber in ihrem Zuhause als in seinem eigenen.
Mitunter kam die ganze Familie zu seinen Auftritten. Genau wie Katarina bewunderten sie sein Gitarrenspiel, und er genoss es, sein Geschick zu zeigen. Das Gefühl von Stolz, das ihn selten erreichte, ließ sich mithilfe der Gitarre einfangen. Es machte ihn zu etwas Besonderem, Bewundernswertem, die fundierte Kenntnis von etwas, die er nur durch seine eigenen Anstrengungen errungen hatte. Aber am allermeisten genoss er es, wenn er und die Gitarre in einer zeitlosen Sphäre von Magie verschwanden, wo es keine Grenzen der Musik gab. Dort fanden sich Töne in schimmernden Melodien, von denen er nicht gewusst hatte, dass es sie gab.
Und hinterher, vom Applaus wie aus dem Schlaf gerissen, war er nicht sicher, wer eigentlich gespielt hatte.
Alles, was er wusste, war, dass er ein sonderbares Gefühl von Frieden empfunden hatte.
Mit neunzehn war sein Talent bereits weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. An dem Abend, an dem Katarina und er ihr Zweijähriges feiern wollten, hatte er Angebote von Bands in Stockholm und Göteborg bekommen. Zehn Jahre harte Arbeit hatten seinen Traum in Reichweite gerückt, er
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