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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Gedränge, der schlechten Luft und der Kriminalität der Großstadt aufzuwachsen. Da war es besser auf dem Land, wo es ruhig und sicher war und die Leute einander kannten. Wenn es so weit wäre, würde sie versuchen, sie zur Rückkehr in ihr Elternhaus zu bewegen.
    Auf nichts freute sie sich mehr als darauf, Enkel zu bekommen. Sie wollte sie in der Nähe haben und sich zur Verfügung stellen, um auszuhelfen. Außerdem würden die Kinder eines Tages den Erbhof bekommen.
    »Entschuldige, dass ich es gestern nicht mehr geschafft habe anzurufen, ich habe deine Nachricht von Helga gehört, ich habe Überstunden gemacht, und es wurde so furchtbar spät, dass ich mich nicht getraut habe, dich anzurufen, wie fühlst du dich?«
    »Na ja.« Das war alles, was sie sagte, sie wusste nicht recht, wie sie das, was sie empfand, in Worte fassen sollte. »Die Beerdigung wird wohl schon in dieser Woche stattfinden.«
    »Am Wochenende?«
    »Nein, das glaube ich nicht, Beerdigungen werden meistens an Werktagen abgehalten. Vermutlich wird es der Freitag.«
    Es wurde still im Hörer. Nur das Hintergrundrauschen, das vielleicht vom Taxi kam, war zu hören. Sie ahnte, was die Tochter dachte. »Aber es ist doch klar, dass du für eine Beerdigung frei bekommst. Es ist schließlich deine Großtante, die gestorben ist.«
    »Ja sicher, es ist nur so, dass ich gerade so furchtbar viel zu tun habe, für jeden Tag sind mehrere Termine reserviert. Es ist nicht so leicht, frei zu bekommen, wenn man Projektleiterin ist.«
    »Aber eine Beerdigung ist schließlich eine Beerdigung.«
    »Ja.«
    »Was ja?«
    »Mama, ehrlich gesagt kannte ich Helga nicht besonders gut.«
    »Sie ist deine Verwandte. Reicht das nicht?«
    Sie hörte die Tochter seufzen. »Es ist doch klar, dass ich auf die Beerdigung gehen will, es ist nur wie gesagt im Moment so viel. Sie können da an dem Hauseingang halten.«
    »Hallo?«
    »Ja, ich bin dran.«
    »Eure Nichten und Neffen kommen bestimmt aus Luleå herunter. Es wäre wirklich traurig, wenn du und Niklas nicht kommen würden. Hast du schon mit ihm gesprochen?«
    »Nein, David und ich gehen heute Abend zu ihm. Jonas hat Geburtstag, es gibt also ein Geburtstagsessen.«
    »Ach, wie nett, grüß ihn herzlich und gratuliere von mir.« Jonas war seit einigen Jahren Niklas’ Mitbewohner. So schwierig, wie es war, in Stockholm eine bezahlbare Wohnung zu finden, war das eine praktische Lösung. Anna-Karin hatte ihn ein paarmal getroffen, wenn sie da unten zu Besuch gewesen war, und hatte ihn nett gefunden. Gar nicht wie etwas Besseres, obwohl er Oberarzt war. »Wie alt wird er?«
    »Siebenunddreißig. Ich glaube, er tut Niklas gut. Er ist jetzt viel fröhlicher. Kann ich eine Quittung haben?«
    »Ja, ich kann mir vorstellen, dass es schön sein muss, wenn man sich nicht immerzu um die Miete sorgen muss, so teuer wie es da unten ist. Da ist es doch viel besser, sie zu teilen.«
    »Ich muss jetzt aufhören, Mama, weil ich in die Besprechung gehe, ich rufe dich heute Abend an.«
    »Vergiss es nur nicht.«
    »Danke. Nein, ich kann die Tasche selbst nehmen. Tschüss, Mama.«
    Irgendwo in weiter Ferne verschwand ihre Tochter in einer Besprechung. Dreißig Jahre waren vergangen, seit Anna-Karin sie geboren hatte. Achtzehn Jahre war sie damals gewesen, aber ihr Alter hatte niemanden dazu gebracht, die Augenbrauen zu heben. Es war üblich gewesen, jung zu heiraten und Kinder zu bekommen, die Welt war damals kleiner, und die meisten hatten ihre Zukunftsträume dem angepasst, was von ihnen erwartet wurde. Heutzutage war das anders. Niemand musste sich seinem Schicksal mehr unterwerfen. Die jüngere Generation wuchs in dem Glauben auf, das Leben sei ein Buffet von Möglichkeiten, allen zugänglich, und das einzige Problem sei, die richtige Wahl zu treffen. Alles sollte weggewählt werden, bis nur noch eine einzige Möglichkeit blieb, und wenn es dann schiefging, trugen sie selbst die Schuld. Es war kein Wunder, dass sie gestresst waren und nichts jemals genügte, denn versteckt in dem Haufen des Abgelehnten lag meist die eine bessere Alternative, die sie verpasst hatten. Manchmal, wenn sie ihren Kindern zuhörte, dachte sie, dass ihre Erwartungen dessen, was das Leben bieten würde, weit das überstieg, was man vernünftigerweise davon erwarten konnte.
    Sie ging hinaus in die Diele. Vorbei an dem ungeöffneten Karton mit dem Computer, den sie von den Kindern zu Weihnachten bekommen hatte. Als sie gesehen hatte, wie erstaunt sie war, hatten sie

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