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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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ihrem Griff entwunden und war zurück in die Dunkelheit geschlüpft. In all den Jahren war er ihr gefolgt, und während des Gesprächs mit Anna-Karin hatte er Helena verhöhnt, die so hilflos in seiner Gewalt gezappelt hatte.
    Die Angst, jemanden wütend zu machen. Jemanden zu reizen, lästig zu sein, gezwungen zu sein, sich einem Konflikt zu stellen. Aus diesem Grund war sie eine Virtuosin der Anpassung geworden. Eine Meisterin darin, etwas, was stören konnte, aufzuspüren und es dann zu vertreiben.
    Denn das, was lästig war, würde vielleicht niemand mögen.
    Sie hatte sich damit begnügt, teilnehmen zu dürfen.
    Martin war der Einzige, der sich so weit hineingedrängt hatte, dass er mit plattgedrückter Nase an der Scheibe all das Hässliche gesehen hatte. Das, was sie so widerwillig beherbergte und von dem sie hoffte, es würde verschwinden, wenn sie nur so tat, als existiere es nicht. Ihre Feigheit. Die Angst, nichts wert zu sein. Der Neid auf diejenigen, die sie für besser hielt. Ängstlich, entlarvt zu werden, versuchte sie das zu verbergen, was in den Händen eines anderen zu einem Schlagstock gegen ihr Bild der Perfektion werden könnte. In all den Jahren mit Martin konnte sie sich nicht daran erinnern, dass sie sich wirklich richtig gestritten hätten. Geschmeidig war sie jedem Konflikt entglitten, hatte folgsam das getan, was von ihr erwartet wurde, und darüber geschwiegen, was sie eigentlich gefühlt hatte. Ihr Handeln nach der Trennung war ganz neu für sie. Zum ersten Mal hatte sie Martin zornig gemacht, doch offensichtlich hatte sie es überlebt. Wenn man ehrlich war, hatte sie sich dem Konflikt nicht gestellt, es ihm aber wenigstens sehr schwierig gemacht, indem sie jegliche Kommunikation verweigerte.
    Unfähig, ihren Atem zu beruhigen, öffnete sie einen der Küchenschränke und holte ein Glas heraus, füllte es bis zum Rand mit Wasser und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Vorgebeugt, die Beine gespreizt und die Ellbogen auf die Knie gestützt, blieb sie mit dem Kopf in den Händen sitzen.
    Es war diese Wut, die sie immer beiseiteschob. Die sie beim Gespräch mit Anna-Karin empfunden, aber wie gewöhnlich nicht zu zeigen gewagt hatte. Und mit diesen unausgesprochenen Worten war das Maß endgültig voll. Die Seite an ihr, die Anna-Karin enthüllt hatte, war genau die, die sie gegenüber Martin hatte verteidigen müssen. Jede Zelle ihres Körpers leistete Widerstand dagegen, sich einzugestehen, dass er Recht gehabt hatte.
    Denn Helena hatte es vorgezogen, die Augen zu verschließen.
    Sie wollte Anna-Karin mögen. Nun, da sie wieder ihr Leben mit ihr teilen und den größten Teil ihres Freundeskreises bilden würde, wollte sie das Bild der Anna-Karin behalten, das sie als Kind von ihr gehabt hatte. Sie hatte ihre Neigung, sich wie ein Habicht auf die Schwächen ihrer Mitmenschen zu stürzen, jede Abweichung zu kritisieren und ihre eigene Gewohnheit, sie lächerlich zu machen, nicht wahrhaben wollen. Helena hatte Anna-Karins Verachtung für Menschen, die gegen die von ihr festgelegten Normen verstießen, beiseitegeschoben. Auch wenn sie es als Klatsch und Tratsch feige hinter ihren Rücken verbreitete.
    Manchmal hatte sie im Stillen darüber nachgedacht, wie es kam, dass Anna-Karin es schaffte, so viel Energie zu verbrauchen, um sich über andere zu ärgern, während sie so unwillig war, sich selbst zu hinterfragen. Aber am meisten hatte sie sich darüber gewundert, wie einfach sie die beleidigenden Worte aussprach, ohne vorher zu überlegen oder Schuldgefühle zu empfinden, als sei sie nur einer zwingenden Naturkraft gefolgt. Den meisten, die sie kannte, war es peinlich, wenn ihre Vorurteile so deutlich ans Licht kamen. Nur Anna-Karin nicht. Sie war von dem, was sie sagte, überzeugt und an keiner weiteren Analyse interessiert. Schwule waren krank. Muslime Terroristen. Kanaken faul und unzuverlässig und kamen nur nach Schweden, um die Vorzüge eines Wohlfahrtsstaats zu nutzen, für den wir Schweden generationenlang geschuftet hatten. Alle Zigeuner waren Diebe und Außenseiter wie Verner einfach nur störend. Alles war schwarz oder weiß und wurde in vorgefertigte Fächer sortiert. Die Gesetze wurden von Anna-Karin gemacht, und so wurde die Welt leicht zu handhaben.
    Martin mit seinem Soziologie-Studium hatte vor Anna-Karins Verhalten gewarnt. Behauptet, es seien Personen wie sie, die die Konflikte dieser Welt schufen. Abends, wenn Anna-Karin etwas besonders Dummes gesagt hatte, hatte er ihr wie

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