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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Ich finde ganz einfach, dass er unangenehm ist, ich will ihn nicht so in der Nähe haben. Mit Emelie und alldem.«
    »Warum denn nicht? Er schien Emelie doch vielmehr schützen zu wollen.«
    Wieder schnaubte sie, wischte sich verlegen die Nase. »Ich weiß selbst, dass es Emelie schlecht geht. Nach einer Scheidung ist das bei Kindern normal. Jeder Mensch hier im Dorf weiß, dass Martin abgehauen ist, es war also nicht schwer für Verner sich auszurechnen, dass Emelie traurig ist.« Sie verstummte und legte den Kopf schief. »Ich verstehe wirklich nicht, wieso du ihn verteidigst.«
    Die Geschehnisse der letzten Stunde hatten sich zwischen sie gelegt. Sie war unfähig, über ihre eigene Mauer, die sie sich als Schutz aufgebaut hatte, hinwegzusehen. Das Wort »engstirnig« ging ihm durch den Kopf. Ihm wurde bewusst, dass er enttäuscht war. Am letzten Abend hatte sie eine sanftere Seite enthüllt, eine Feinfühligkeit. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war es einer Frau gelungen, sein Interesse zu wecken. Doch die Seite, die sie jetzt zeigte, ließ den Funken, der aufgeblitzt war, verglühen.
    Er brauchte etwas Zeit für sich. Wollte die Möglichkeit haben, über das Geschehene nachzudenken und die passenden Worte zu finden. Er war nicht bereit, seine Glaubwürdigkeit zu riskieren.
    »Ich gehe hinein und mache mit dem Streichen weiter.«
    Ihren Blick im Rücken spürend, ging er zum Stall. Sie fehlte ihm schon jetzt, die Zusammengehörigkeit, an die sie sich herangetastet und die noch keinen Namen bekommen hatte. Heute Morgen hatte er sich nach einer Fortsetzung des Gesprächs von gestern Abend gesehnt, jetzt war ein Teil des Zaubers verloren gegangen.
    Der Teil, den sie vor ihm verbarg, lockte ihn, nicht die unattraktive Kratzbürstigkeit, die er bereits vom ersten Moment an gespürt hatte.
    Vielleicht war es aber auch Bitterkeit, obwohl er keine hässliche Farbe sah.

Kapitel 20
    Wenn an der nächsten Haltestelle ein Mann einsteigt, wird alles gut werden.
    Emelie lehnte den Kopf gegen die Sitzlehne und machte die Augen zu. Drei lange Jahre schon war sie diesen Weg gefahren und kannte jeden Hang und jede Kurve. Ewig ging die Fahrt weiter, ohne dass der Bus abbremste. Sie passierten eine Haltestelle nach der anderen, schließlich war es Zeit auszusteigen.
    Wenn ich den Atem anhalte, bis ich ausgestiegen bin, wird alles gut werden.
    Sie füllte die Lungen mit Luft und ging zur Tür, bewusst darüber, wie kindisch sie war. Sie versuchte ungerührt zu wirken, fand aber doch, dass einige Leute sie anstarrten. Etwa hundert Meter blieben noch. Als der Bus endlich hielt, rang der Körper nach Luft. Mit einem Zischen ging die Tür auf, zwei Schritte, und sie war draußen. Dann erst tat sie einen Atemzug. Ein kleiner Erfolg, der eigentlich egal war. Es war ein einfacher Zeitvertreib. Ein blödes Spiel, bei dem sie so tun konnte, als hätte das, was sie tat, irgendeinen Einfluss.
    Der Bus fuhr los, und sie blieb stehen. Es gab keinen Grund, sich zu beeilen. Die Wut stieg in ihr hoch, sobald sie das Hotel sah. Jeden Tag, wenn sie nach Hause kam, lag es da und triumphierte, ohne dabei je zufällig abzubrennen.
    Ein Scheißhotel in einer öden Gegend, in den Mittelpunkt des Universums verwandelt.
    Ein Auto kam angefahren. Sie blieb stehen, als es sich näherte. Einen Schritt hinaus auf die Fahrbahn, und dann nur peng! Das würde zumindest eine Veränderung erzwingen.
    Das Auto fuhr vorbei, und ihr Blick folgte ihm, bis es verschwand. Mit einem Seufzer überquerte sie die Straße. Der Kiesweg hinauf zum Hotel hatte sich in lehmigen Matsch verwandelt, sie versuchte, die schlimmsten Pfützen zu meiden. Einige in der Schule fanden es lustig, dass die Stockholmerin so weit draußen auf dem Land wohnte und oft lehmige Schuhe hatte. Er pappte fest wie Zement, obwohl sie jeden Morgen versuchte, ihn mit nassen Papierhandtüchern abzureiben.
    Einfach nur von hier wegfahren dürfen.
    Alles hinter sich lassen und atmen können.
    Wenn es dir da oben nicht gefällt, ziehen wir wieder zurück nach Stockholm.
    Ein Versprechen, so leicht wie Luft.
    Denn was konnte wichtiger sein als das Hotel?
    Aber die eigene Mutter war die eigene Mutter, egal wie die eigene Mutter sich auch benahm. Und traurige Mütter konnte man nicht ihrem Schicksal überlassen. Eine unvermeidbare Pflicht, eine klebrige Verantwortung, ob man wollte oder nicht, man steckte fest.
    All das Gequatsche mit Anna-Karin über ihren Vater. Leise Gespräche, von denen niemand annahm, dass

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