Einem Tag in Paris
wieder dem Käse und den Birnen zu.
»Oder zählen Sie mir die Namen all der Pflanzen in Ihrem Garten auf«, beeilt sich Jeremy zu sagen.
»Sie sind sehr freundlich«, sagt sie. »Ein Fluchtweg wird aufgezeigt.«
»Wenn Sie wollen. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie wir auf das gefährliche Thema Liebe gekommen sind.«
»Meine Schuld«, lächelt Chantal. »Der Leiter der Sprachenschule würde mich feuern.«
Jeremy lächelt. »Ich werde Sie nicht verpetzen.« Er fragt sich, ob ein Mittagessen auf ihrem Hausboot ebenfalls interdit wäre. Natürlich. Der Gedanke gefällt ihm. Sie verstößt für ihn gegen die Vorschriften.
»Zum ersten Mal habe ich mich vor einem Jahr verliebt«, sagt sie. Sie bricht ab, als sei das das Ende ihrer Geschichte.
»Keine stürmischen Jugendromanzen?«, fragt Jeremy.
»Jede Menge Stürme. Keine Ruhe nach dem Sturm.«
Jeremy nickt. Ja. Er weiß, was sie meint. Es gefiel ihm, sich in Dana zu verlieben, aber dann stellte er zu seinem großen Erstaunen fest, dass er es noch mehr genoss, sie zu lieben. Die Ruhe.
Und jetzt? Entfesselt er aus dünner Luft einen Sturm?
»Ich habe Philippe an der Sprachenschule kennengelernt. Jedes Frühjahr findet dort eine Geburtstagsparty für den Leiter statt. Es ist albern – der Leiter ist in vielerlei Hinsicht wie ein Kind. Er hätte gern, dass wir alle unsere Klassen mit Spielen und Belohnungen und Liedern unterrichten. Darin bin ich nicht sehr gut, daher setzt er mich lieber für die Privatstunden ein.«
Jeremy kann sich nicht vorstellen, dass Chantal vor einer Klasse Erwachsener steht, ein französisches Kinderlied singt und dem besten Schüler bonbons zuwirft. Und natürlich kann er sich erst recht nicht vorstellen, selbst in einer solchen Klasse zu sein. Was für ein Glück, denkt er, dass wir einander gefunden haben.
»Philippe war neu an der Schule. Er sieht sehr gut aus – normalerweise fühle ich mich nicht zu Männern wie ihm hingezogen.«
Männern wie ihm. Jeremy ist immer gesagt worden, dass er gut aussieht. Aber weil er schüchtern oder still oder weniger draufgängerisch ist als die meisten gut aussehenden Männer, hatte er immer das Gefühl, mit einem Frauenhelden, einem Romeo, wenig gemein zu haben.
»Er hat mich nach dem Ende der Party angesprochen. Ich hatte ihn natürlich beobachtet – alle Frauen hatten ein Auge auf ihn geworfen. Und dann ruhte sein Blick auf mir. Er besitzt diese Fähigkeit, einer Frau das Gefühl zu geben, die Einzige zu sein.«
Sie schweigt, und ihr Blick schweift ab – sie folgt einem vorbeifahrenden Schlepper auf dem Fluss. Sie blickt traurig, so als sei es gar keine Liebesgeschichte.
»Entschuldigung.« Sie sieht zu ihm zurück. »Vielleicht hätte ich gar nicht damit anfangen sollen.«
»Erzählen Sie weiter«, sagt Jeremy.
»Genug neue Wörter«, sagt sie zu ihm. »Es ist unser letzter gemeinsamer Tag.«
Sie greift nach dem Wein und schenkt ihnen beiden nach. Sie fährt mit ihrer Geschichte fort, mit festerer Stimme jetzt.
»Wir verließen die Party und gingen in ein Café, um zusammen noch etwas zu trinken. Er ist ein charmanter Mann, natürlich – er weiß, wie man das Herz einer Frau erobert. Und ich nehme an, ich wartete darauf, meines zu vergeben. Achtundzwanzig Jahre alt. Ich hinke meiner Generation ein bisschen hinterher.«
»Bis auf die Hippie-Kommune im Indischen Ozean«, sagt Jeremy.
»Ach das. Ein Irrweg. Ein verzweifelter Versuch, jung und wild zu sein.«
»Sehen Sie sich hier um«, sagt Jeremy. »Das hier ist wild.« Er zeigt mit weit geöffneten Armen auf den Garten Eden, den sie auf der Seine geschaffen hat.
»Das ist nur mein Rückzugsort.«
»Wovor?«
»Vor dem Trubel der Welt. Ich komme hierher, um mich zu verstecken.«
Jeremy denkt an sich selbst in seiner Werkstatt. Dort ist er am glücklichsten, egal, ob er an einem Projekt für einen Kunden arbeitet oder einen neuen Kleiderschrank für ihr Haus baut. Er mag den Geruch von Sägemehl, das Geräusch eines Hobels, der die Kante eines Bretts glättet, die gebannte Konzentration auf das Design. Wenn Dana zur Arbeit geht, ist sie von Leuten und Worten und Leidenschaften umgeben, die so groß sind, dass sie andere zu Tränen rühren. Was passiert also letztendlich? Will sie wirklich, was er anzubieten hat? Warum ist er auf einmal besorgt deswegen, nach so vielen Jahren vertrauensvoller Liebe?
»Philippe und ich waren eine Weile zusammen, und ich genoss seine Aufmerksamkeit. Er ist ein witziger Mann –
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