Einem Tag in Paris
kann, anstatt zu reden.«
»Aber das hier ist eine Französischstunde«, sagt Chantal lächelnd. Sie scheint ihn aufzuziehen, aber er ist sich nicht sicher, womit. »Sie sollen reden.«
»Fordern Sie mein Französisch mit Ihrer Geschichte. Erzählen Sie mir eine sehr komplizierte Liebesgeschichte.«
»Wenn Sie fertig sind«, sagt Chantal.
Vier Tage lang hat sich Jeremy gewünscht, er könnte Chantal mit Geschichten betören, aber die Art Mann ist er nicht. Er ist ein Zuhörer, sodass die Frauen auf ihn immer reagiert haben, als wäre er besser als der Rest seiner Spezies. Und jetzt? Jetzt ist er schlimmer als die schlimmsten von ihnen. Er lügt. Und er kann sich nicht einmal mehr bremsen.
»Sie ist in einem vollendeten Bogen eingetaucht, und das Mondlicht zeigte mir genug von ihrem langen, schlanken Körper, um ihre kleinen Brüste zu sehen, ihre schmalen Hüften. Und dann war sie im Wasser und schwamm rasch auf mich zu. Ich trat Wasser, fühlte mich als Voyeur ertappt, und ich dachte, sie würde genau auf mich zuschwimmen und mich unter Wasser ziehen. Aber sie schwamm an mir vorbei und immer weiter. Ich musste ihr nachsetzen, und das tat ich auch, aber sie war natürlich viel schneller und kräftiger als ich.«
Das Boot schwankt, und Jeremy hält sich am Tisch fest. Chantal lacht.
»Das bateau-mouche«, erklärt sie. »Selbst mitten in der Nacht denke ich manchmal, ich werde aus dem Bett fallen und ertrinken.«
Zum ersten Mal denkt Jeremy darüber nach, dass unter Deck Chantals Zuhause ist. In dem Zimmer wird ein Bett sein. Er wendet den Blick von ihr ab und sieht auf den Fluss hinaus. Von dem Deck des bateau-mouche winken ihnen beharrlich Touristen zu. Und Jeremy winkt wie ein Idiot zurück.
Sie halten mich für einen Franzosen, denkt er.
Aber Chantal winkt natürlich nicht. Wie albern, denkt er. Wenn man hier lebt, würde man niemals zurückwinken.
Ich benehme mich wie ein dreizehnjähriger Junge, denkt Jeremy.
»Sie schwimmen um Ihr Leben«, sagt Chantal.
Ende der Geschichte, sagt sich Jeremy. Jetzt sofort.
»Ich hätte sie niemals einholen können. Sie war viel zu kräftig. Das heißt, sie muss für mich langsamer geschwommen sein, so freundlich, wie sie war. Und als ich sie schließlich einholte, irgendwo draußen mitten auf dem See, wusste ich nicht, was ich mit ihr tun sollte. Ich war so jung. Und sie war mir in jeder Hinsicht überlegen.«
»Sie hat es Ihnen gezeigt«, sagt Chantal.
»Ja«, pflichtet Jeremy bei. »Sie hat mir gezeigt, was ich tun sollte.«
Sie schlürfen ihren Wein. Diesmal bereitet Jeremy eine Apfelscheibe und ein Stück Roquefort für Chantal vor, die es dankbar entgegennimmt und genussvoll isst. Er schenkt ihnen Wein nach.
Er verspürt eine seltsame Mischung aus Erleichterung – seine Geschichte ist zu Ende – und Entsetzen darüber, dass er ein Mann ist, der sich selbst neu erfindet, um eine junge Frau zu beeindrucken. Mit fünfundvierzig! Erst vor einer Woche, als sie in Santa Monica Canyon in ihrem Bett lagen, war er mit den Fingern über Danas Körper geglitten und hatte gesagt: »Ich kenne jeden Zentimeter von dir.«
»Keine Überraschungen?«, hatte sie gefragt. »Keine Chance, eine Narbe auf meinem Bein zu entdecken, eine Tätowierung auf meiner Hüfte?«
»Ich will keine Überraschungen«, hatte er gesagt und sie näher an sich gezogen. »Ich will nur das, was wir haben. Nicht mehr.«
Dana hatte nichts gesagt. Und einen kurzen, unsicheren Moment lang hatte Jeremy gedacht: Vielleicht will sie mehr. Sie ist eine Frau großer Gefühle, eine Frau, die das Leben im großen Stil lebt. Und dann kommt sie zu mir nach Hause. Er verspürte einen Schmerz in der Brust. Rede darüber, dachte er. Aber wie so oft kamen die Worte nicht – sie klemmten irgendwo in ihm fest. Er tat das, was er am besten konnte. Er nahm Dana in seine Arme und liebte sie, bedeckte ihren kleinen Körper mit seinem.
Als sie fertig waren, legte er den Arm um ihren vertrauten Körper und drückte sich an ihren Rücken. Jetzt fragt er sich: War der Streit letzte Nacht eine Art, seine eigenen Ängste zu beschwichtigen? Ist das ein Teil seines Unbehagens in diesen letzten Tagen in Paris? Hat er, nachdem er Dana zehn Jahre lang geliebt hat, sein Vertrauen in ihre Beziehung verloren?
»Erzählen Sie mir die Geschichte Ihrer ersten Liebe«, sagt er zu Chantal, um seine Gedanken zu verscheuchen.
Sie sieht einen Moment auf den Fluss hinaus und scheint fast wieder schüchtern. Dann wendet sie sich
Weitere Kostenlose Bücher