Einem Tag in Paris
Geschichte.«
»Ich weiß noch, was Sie vorhin im Café gesagt haben«, sagt Jeremy. »Dass wir manchmal vor uns selbst davonlaufen müssen, um uns zu finden. Vielleicht hat Philippe Ihnen geholfen, das zu tun.«
Chantal lächelt. »Das gefällt mir. Und so habe ich wieder einmal gelernt, dass ich im Grunde meines Herzens ein wirklich gutes Mädchen bin. Und ich sollte mir einen besseren Mann suchen.«
Er sieht auf ihre Hand, und sie nimmt sie fort.
Jeremy ist es nicht gewohnt, so viel zu reden. Wenn er jünger wäre, dann würde er ihre Hand nehmen und Chantal hinunter in ihr Schlafzimmer führen. Nein, es hat nichts mit dem Alter zu tun. Er würde es auch jetzt tun. Das ist der Augenblick, auf den er gewartet hat, seit er heute Morgen zu der métro-Station gekommen ist.
Er denkt an den Sex mit Dana. Im Bett mit ihr findet er sein wahrstes Ich. Ihr Liebesspiel ist tief und erfüllt – sie reden selten im Bett, und doch hat er das Gefühl, sie am besten zu kennen, wenn sie sich geliebt haben. Sie gibt sich ihm hin, er gibt sich ihr hin. In zehn Jahren ist ihre Leidenschaft noch nicht abgekühlt.
»Gehen wir ein paar Schritte«, sagt er zu Chantal.
Sie steht zu schnell auf und stößt gegen den Tisch. Ihr Weinglas fällt um, und Jeremy fängt es auf, bevor es auf das Deck fallen kann. Aber etwas Wein spritzt auf Chantals Füße in ihren Sandalen.
»Oh, wie ungeschickt!«, sagt sie, und ihr Gesicht nimmt dieselbe rosa Farbe an wie ihre Bluse. Sie flüchtet – Jeremy kann ihre Schritte hören, die die Treppe des Boots hinunter und in den Raum darunter trappeln.
Jeremy macht sauber. Der meiste Wein ist auf Chantals Füße gespritzt, und er wischt den Rest, der auf dem Deck gelandet ist, mit einer in Wasser getauchten Serviette auf.
Er räumt die Schüsseln und Teller und den Korb zusammen und stellt alles wieder auf das Tablett. Das meiste Essen ist verschwunden – wie auch der Wein. Er wundert sich, die leere Flasche zu sehen.
Er würde die Teller ja wegbringen, aber er weiß, dass die Küche unten ist – mit Chantal und ihrem Schlafzimmer. Nein, er wird alles hier oben stehen lassen.
Sein Handy klingelt. Er nimmt es aus seiner Gesäßtasche. Es ist Dana.
Im ersten Augenblick fühlt er sich ertappt – aber dann schüttelt er den Kopf. Ich habe nichts Unrechtes getan. Ein Mittagessen, etwas Wein.
»Allô?« Er sagt es mit einem französischen Akzent – das wird sie amüsieren, denkt er.
»Entschuldigung«, sagt sie rasch, und dann auf Französisch: »Ich habe mich verwählt.«
Sie legt auf, bevor er mit ihr reden kann.
Er ruft sie zurück.
»Das war ich«, sagt er auf Englisch. »Ich habe so getan, als wäre ich dein flotter französischer Liebhaber.« Und dann steht Chantal da, genau vor ihm. Er sieht zu Boden. Sie trägt weiße Turnschuhe – und wieder denkt er an seine Tochter.
Dana lacht, es ist ihr Filmlachen – schwer und tief. Chantal nimmt das Tablett und entfernt sich.
»Ich würde sie gern kennenlernen«, sagt Dana.
»Wen?«
»Die französische Privatlehrerin.«
»Warum?«
»Lindy sagt, sie sei sehr hübsch.«
»Du hast Lindy gesehen?«
»Noch nicht. Sie hat angerufen. Bring deine Privatlehrerin mit, wenn wir uns treffen.«
»Der Unterricht ist fast zu Ende«, sagt Jeremy, obwohl das nicht stimmt. Er wirft einen Blick auf seine Uhr. Fast zwei. »Es gibt keinen Grund, sie kennenzulernen.« Er dämpft die Stimme zu einem Flüstern.
»Wir drehen früher. Pascale hat vor ein paar Stunden angerufen. Hat irgendwas mit dem Regen zu tun. Sie baut jetzt auf. Ich will, dass ihr beide kommt.«
»Wohin?«
»Zur Pont des Arts. Deiner kleinen Freundin wird es gefallen.«
»Dana.«
»Lindy sagt, du seist hingerissen.«
»Das hat sie nicht gesagt. Das ist nicht einmal ein Wort, das sie kennen würde.«
»Vielleicht nehmen wir in letzter Zeit alle Sprachunterricht.«
»Dana.«
»Ich muss los, Schatz. Komm bald vorbei. Wir fangen in einer halben Stunde an.«
»Wo ist Lindy …«
»Sie wird da sein.«
»Hat sie dir von dem Kloster erzählt?«
»Kloster? Ich muss mir rasch etwas überziehen und dann los. Wir sehen uns gleich.«
Sie legt auf.
Chantal ist verschwunden. Wie auch das Essen, der Wein, die momentane Illusion eines anderen Jeremy.
Nein, denkt er. Er wird sie nicht mitbringen, damit sie Dana kennenlernt. Lindy hat sich wie ein quengeliges Kind benommen. Das ist alles.
Er denkt an Chantals Hand auf seiner.
Er denkt an sein Haus in Santa Monica Canyon, seinen
Weitere Kostenlose Bücher