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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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wirkliche Leben.
    Die Kantine war in einem schlichten Flachbau untergebracht, und von den vielen langen Tischen, die dort aufgereiht standen, waren zwei für uns Schwestern reserviert. Wir würden nicht mit den Männern zusammen essen, erklärte Schwester Hildebrand. Trotzdem beobachteten wir sie ebenso wie sie uns. Ihre Blicke verfolgten jede unserer Bewegungen, während wir aßen – Dosenfleisch mit Bohnen.
    »Das Zeug ist ungenießbar«, sagte Mary, spießte eine grüne Bohne mit der Gabel auf und hielt sie ins Licht. »Seht euch das an, die ist ja schon versteinert!«
    »Wir werden rank und schlank nach Hause zurückkehren«, bemerkte Kitty, optimistisch wie immer.
    Stella und Liz saßen uns gegenüber, aber nach allem, was sie am Vormittag über Kitty vom Stapel gelassen hatten, ignorierte ich sie. »Seht mal da drüben«, sagte Stella mit theatralischer Miene und zeigte auf einen Ecktisch, an dem drei Männer saßen. »Nicht übel.«
    Mary und Kitty, die nichts von meinem Groll ahnten, drehten sich um. »Der sieht ja aus wie Clark Gable«, sagte Kitty. »Kennt ihr ihn?«
    »Er heißt Elliot«, sagte Stella. »Der Corporal, der mir meinen Koffer abgenommen hat, hat uns einander vorgestellt. Ist er nicht süß?«
    Mary nickte. »Sehr«, sagte sie und schob sich ein Stück Dosenfleisch in den Mund.
    »Nur leider heißt es, dass er eine Frau in der Heimat liebt«, fügte Stella hinzu. »Eine verheiratete Frau.«
    Wir machten große Augen.
    »Hier könnte er sich eine aussuchen«, fuhr Stella kopfschüttelnd fort. »Aber stattdessen erzählt man sich, dass er seine freien Tage damit verbringt, Tagebuch zu schreiben und an seine Braut zu denken.«
    »Wie romantisch«, murmelte Kitty.
    Ich nickte. »Ein Mann, der eine Frau so sehr liebt, ist eine Seltenheit.«
    »Oder ein Trottel«, bemerkte Stella. Während sie sich darüber ausließ, wie sie Elliots Aufmerksamkeit zu erregen gedachte, stocherte ich in meinem Essen herum.
    Ich schaute noch einmal zu dem Tisch hinüber, an dem dieser Elliot saß. Er sah Clark Gable tatsächlich ähnlich. Er hatte dunkle Augen und dichtes, schwarzes Haar, eine Stirnlocke. Aber mein Blick wurde von einem anderen Mann angezogen, der links neben Elliot saß. Groß, weniger kräftig gebaut, helleres, feineres Haar, sonnengebräunte Haut, Sommersprossen. Mit der linken Hand schob er sich sein Essen in den Mund, während er mit der rechten ein Buch hielt, in dem er konzentriert las. Er blätterte eine Seite um und blickte auf. Unsere Blicke begegneten sich, und er lächelte mich an. Hastig wandte ich mich ab. Was war bloß in mich gefahren? Ich bereute meinen Verstoß gegen die Schicklichkeit auf der Stelle.
    Mit glühenden Wangen würgte ich ein Stück Dosenfleisch hinunter. Stella hatte den Blickwechsel mitbekommen und grinste spöttisch, aber ich wandte mich ab, entschlossen, meine Fassung wiederzugewinnen.
    Die Nächte in den Tropen waren erträglicher als die Tage, trotz der Moskitos. Es war einfach angenehm, von der Sonne verschnaufen zu können. Die Luft war lau, vom Meer her wehte kühler Nebel herauf, und die Sterne wirkten so nah, als könnte man nach ihnen greifen.
    Kitty und ich gingen Arm in Arm über den Schotterweg zu dem Platz in der Mitte des Camps, wo der Tanzabend stattfinden sollte, sie in ihrem gelben Kleid, ich in meinem roten. Kitty hatte mich gedrängt, etwas Gewagteres anzuziehen, und zum Schluss hatte ich nachgegeben.
    Es war nicht weit, vielleicht fünfhundert Meter, aber in Stöckelschuhen wollte der Weg gar kein Ende nehmen. Als wir am Lazarett vorbeigingen, sahen wir, dass drinnen Licht brannte. War Schwester Hildebrand noch bei der Arbeit? Wir gingen ein bisschen schneller. Als wir an den Unterkünften der Soldaten vorbeikamen, taten wir so, als würden wir die Pfiffe der Männer nicht hören, die draußen standen und rauchten.
    In sicherer Entfernung zupfte Kitty an meinem Arm. »Sieh mal«, sagte sie und zeigte auf einen großen Strauch, der übersät war von herrlichen Blüten.
    »Wie schön!«, rief ich aus. »Was ist das für ein Strauch?«
    Sie pflückte eine der roten Blüten. »Ein Hibiskus«, sagte sie, steckte sich die Blüte hinter das rechte Ohr und pflückte noch eine für mich. »In Französisch-Polynesien trägt eine Frau, deren Herz schon vergeben ist, eine Hibis kusblüte hinter dem linken Ohr«, erklärte sie mir, »und eine Frau, deren Herz noch frei ist, trägt sie hinterm rech ten Ohr.«
    »Woher weißt du das?«
    Sie grinste. »Ich weiß

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