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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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sie und seufzte mutlos. »Ich hab’s aufgegeben bei Elliot. Er denkt nur an die Frau, die in der Heimat auf ihn wartet. Entweder hockt er für sich allein am Strand und macht Fotos, oder er verkriecht sich in seinem Zimmer und schreibt Gedichte über sie. Diese Frau muss was ganz Besonderes sein. Aber gestern Abend habe ich einen Piloten kennengelernt, Will, und der ist auch nicht schlecht.«
    Liz kam mit einem Tablett an unseren Tisch und stellte es ab. »Geht es Mary besser?«
    »Ja, Gott sei Dank«, antwortete ich. »Sie kommt langsam wieder zu Kräften.«
    Liz betrachtete gedankenversunken einen Brief, den sie in der Hand hielt. »Das ist heute für sie angekommen«, sagte sie vorsichtig. »Und mir ist der Name des Absenders aufgefallen. Hat sie nicht gesagt, ihr Ex-Verlobter heißt Edward?«
    Ich nickte. »Zeig mal.«
    Ich hielt den Brief gegen das Licht, konnte aber nichts weiter erkennen, außer dass der Absender tatsächlich Edward hieß. Edward Naughton, eine Anschrift in Paris.
    »Anne!«, schalt mich Kitty. »Du kannst doch nicht einfach ihre Post lesen. Die geht dich nichts an.«
    »Wenn ich das Gefühl habe, dass der Brief ihre Genesung behindern könnte, werde ich ihn aufmachen«, sagte ich. »Überleg doch mal: Der Mann hat sie kurz vor dem Traualtar verlassen und so in Verzweiflung gestürzt, dass sie sich auf eine Insel am anderen Ende der Welt verzogen hat. Kannst du dir vielleicht vorstellen, was ein Brief von ihm auslösen könnte?«
    Die anderen Frauen nickten zustimmend, sodass Kitty klein beigab.
    »Also«, sagte ich, »ich werde den Brief nicht öffnen und lesen. Aber ich behalte ihn so lange, bis es Mary wieder besser geht. Ihr Herz ist noch schwach. Sie muss erst wieder zu Kräften kommen. Ich werde nicht zulassen, dass dieser Brief ihre Genesung beeinträchtigt.«
    »Na gut«, sagte Kitty. »Aber du solltest dich wirklich nicht in Liebesdinge einmischen.«
    Sollte das eine Warnung sein, mich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen?
    Ich rümpfte die Nase und verstaute den Umschlag si cherheitshalber in einer Tasche meines Kleids. »Ich mische mich in nichts ein«, sagte ich zu Kitty. »Es geht um Marys Gesundheit.«
    Kitty schob ihren Teller weg. »Also, Mädels, ich krieg keinen Bissen von diesem Zeug mehr runter. Ich mach mich mal wieder an die Arbeit. Schwester Hildebrand meinte, dass wir heute einen Patienten reinbekommen.«
    Als wir zum Lazarett gingen, war ich immer noch ziemlich wütend über Kittys Bemerkungen, vergaß sie jedoch völlig, als wir hörten, dass ein Sanitäter von einer anderen Insel über Funk die Ankunft eines verwundeten Piloten angekündigt hatte. Der Pilot würde unser erster ech ter Patient sein – abgesehen von Westry, der nur mein Patient war.
    Der verwundete Pilot traf um Viertel nach zehn ein. Er war ein schlimmer Fall – Kopfverletzung durch Granatsplitter. Kitty, die den Verwundeten auf der fahrbaren Trage in den Operationsbereich geschoben hatte, arbeitete mit flinken Händen neben dem Chirurgen, entfernte blutverschmierte Metallsplitter und legte sie auf eine Ablage neben dem Operationstisch. Liz lief nach draußen, um sich zu übergeben, aber Kitty zuckte mit keiner Wimper. Sie ging so professionell mit der Situation um, dass der Arzt sie bat, noch eine Stunde länger zu bleiben und sich um den Patienten zu kümmern, wozu sie sich auf der Stelle bereit erklärte.
    Nach meiner Schicht ging ich in unser Zimmer, froh, dem sterilen Lazarett zu entkommen und mich möglichst bald in der gemütlichen Hütte entspannen zu können. In einem Beutel verstaute ich Schere, Nadel und Faden, dazu einen Ballen blassgelben Stoff, den ich in einer Mülltonne neben der Krankenstation entdeckt hatte. Perfekt für Vorhänge, hatte ich gedacht und den Stoff aus der Tonne gezogen, bevor sie geleert würde.
    Westry war nicht in der Hütte. Ich nahm den Schlüssel aus dem Buch, schloss die Tür auf und legte den Beutel auf den alten Mahagonistuhl.
    Ich machte mich sofort an die Arbeit, maß die Breite der Fenster und berechnete die Maße der Stoffbahnen. Ich breitete den Stoff auf dem Boden aus, scheuchte eine kleine Eidechse fort und begann zu schneiden. Während ich die Vorhänge säumte, lauschte ich auf den Gesang der Vögel im Dschungel. Ich hatte kein Bügeleisen, aber für eine Strandhütte würde es auch so gehen, und mit der Zeit würde die warme, feuchte Luft den Stoff glätten.
    Beim Nähen dachte ich an Westry, der im Gegensatz zu Gerards bedächtiger,

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