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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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sagte er und hielt ein glänzendes Stückchen Metall hoch. »Jetzt müssen wir nur noch ein geeignetes Versteck dafür finden.«
    Ich zeigte auf die unverglasten Fensteröffnungen. »Aber wer hier reinwill, braucht doch nur einzusteigen.«
    Westry nickte. »Natürlich, die Fenster werden wir als Nächstes einbauen. Außerdem braucht jedes Haus ein passendes, funktionierendes Schloss. Die Frage ist nur, wo verstecken wir den Schlüssel?«
    Ich folgte ihm nach draußen, wo wir die Umgebung vor der Tür begutachteten. »Vielleicht hier?«, sagte ich und zeigte auf eine Stelle neben der einzelnen Treppenstufe im Sand. »Da könnten wir ihn vergraben.«
    Westry schüttelte den Kopf. »Da würde jeder als Erstes nachsehen. Das wäre ja wie unter der Fußmatte – da kuckt jeder Einbrecher zuerst nach.« Plötzlich kam ihm eine Idee. »Warten Sie«, sagte er, ging in die Hütte und kam wieder heraus mit einem Buch in der Hand, das er aus seinem Seesack genommen hatte. »Wie wär’s denn damit?«
    »Ein Buch?«
    »Ja«, erwiderte er und zog das Bändchen heraus, das am Buchrücken befestigt war. Normalerweise diente es als Lesezeichen, aber Westry hatte etwas anderes damit vor. Er knotete den Schlüssel an dem Bändchen fest und verstaute ihn zwischen den Buchseiten. »So«, sagte er und schob das Buch unter die Stufe. »Unser Versteck.«
    Vom Strand her waren die Wellen jetzt deutlich zu hören. »Die Flut setzt ein«, sagte er. »Wollen wir uns das Schauspiel ansehen?«
    Ich zögerte. »Vielleicht sollte ich lieber wieder zurückgehen.« Ich hatte Kitty keine Nachricht hinterlassen und befürchtete, sie würde sich Sorgen machen.
    »Ach, kommen Sie«, sagte Westry. »Ein bisschen können Sie bestimmt noch bleiben.«
    »Also gut«, erwiderte ich. »Ein bisschen.«
    »Sehen Sie mal«, sagte er und zeigte auf ein Stück Treibholz, das nicht weit entfernt am Strand lag. »Da können wir es uns gemütlich machen.«
    Er nahm die Weinflasche, die er am Tag zuvor in der Hütte gefunden hatte, und eine Blechtasse aus seinem Seesack und setzte sich neben mich in den Sand. Wir lehnten uns gegen das Treibholz, das von der Brandung glatt geschmirgelt war. »Ein Prosit«, sagte er und goss den uralten Wein in den Becher, »auf die Dame des Hauses … nun gut, der Hütte.«
    Er reichte mir den Becher. Vorsichtig nahm ich einen winzigen Schluck. Mir zog sich alles zusammen. »Hundert Jahre alter Essig.«
    Ein Vogel sang irgendwo in der Ferne, während wir dasaßen und fasziniert die Wellen betrachteten.
    »Übrigens«, sagte ich ein bisschen abrupt. »Ich weiß überhaupt nichts über Sie.«
    »Und ich weiß nichts über Sie«, gab er zurück.
    »Sie zuerst.«
    Westry nickte und setzte sich aufrecht hin. »Ich bin in Ohio geboren«, sagte er. »Aber dort war ich nicht lange. Meine Mutter ist an Scharlach gestorben, und dann bin ich mit meinem Vater Richtung Westen gezogen. Nach San Francisco. Er war Ingenieur und hatte eine Stelle bei der Eisenbahn. Wir sind ständig umgezogen, und ich kam praktisch jeden Monat auf eine andere Schule.«
    »Hört sich nicht gerade nach einer soliden Bildung an«, bemerkte ich.
    Westry zuckte die Schultern. »Sie war besser als die der meisten anderen. Ich habe viel vom Land gesehen. Immer den Schienen entlang.«
    »Und jetzt? Sie haben gesagt, wenn der Krieg vorbei ist, wollen Sie wieder hierher auf die Insel zurückkommen, aber Sie haben doch bestimmt noch andere Ziele, andere Dinge, die Sie noch erleben wollen?«
    Westrys Augen waren groß und lebhaft, voller Lebenshunger.
    »Ich weiß nicht so recht, was ich machen werde«, sagte er. »Vielleicht studiere ich noch mal und werde Ingenieur wie mein Vater. Vielleicht gehe ich aber auch nach Frankreich und lerne zu malen wie die großen Impressionisten. Vielleicht bleibe ich aber auch einfach hier«, sagte er und deutete mit dem Kopf in Richtung Hütte.
    »Aber das geht doch nicht«, sagte ich. »So ein einsames Leben!«
    »Wieso einsam?«, entgegnete er. »Hier hätte ich alles, was man sich nur wünschen kann. Ein Dach über dem Kopf. Ein Bett. Die schönste Kulisse der Welt. Manch einer würde es das Paradies nennen.«
    Ich dachte daran, dass er gesagt hatte, er wolle sich hier an diesem Strand niederlassen und eine Familie gründen. »Aber was ist mit Freunden?«, wagte ich einzuwenden. »Und mit … mit der Liebe?«
    Westry grinste. »Sie haben gut reden. Sie haben das ja alles schon.«
    Ich sah auf meine Füße und bohrte mit der Schuhspitze im Sand,

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