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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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ihm nicht erzählen, dass Sie hier waren oder dass Sie mit mir gesprochen haben. Das macht ihn nur wütend.«
    Meine Worte schienen sie zu verwirren, doch sie nickte.
    »Gute Nacht«, sagte ich.
    »Taoto maitai« , sagte sie, dann verschwand sie in der Nacht.

8
    D as Licht der Morgensonne schien so hell, dass zwei Strahlen es schafften, durch die Vorhänge in unser Zimmer zu fallen und auf den Schranktüren zu tanzen. Kitty und ich beobachteten das Schauspiel vom Bett aus.
    »Kannst du dir einen so hellen Morgen in Seattle vorstellen – im Januar?«, fragte ich.
    »Nein«, antwortete Kitty mit tonloser Stimme. »Will ich auch nicht. Mir fehlt die Winterkälte. Ich bin die viele Sonne leid.«
    »Ich glaube nicht, dass mir die Sonne jemals zu viel wird«, sagte ich, setzte mich auf und langte nach meinem Morgenmantel, der über dem Fußteil des Betts hing. »Kann ich dir etwas anvertrauen, Kitty?«
    »Klar«, sagte sie.
    »Ich mache mir Sorgen.«
    »Weswegen denn?« Sie hatte müde Augen, und das schien nicht nur daran zu liegen, dass es noch so früh am Morgen war. Sie wirkte zutiefst erschöpft. Seit Weihnachten, als ich Kitty von meinem Gespräch mit Atea berichtet hatte, hatten wir nicht mehr über Lance gesprochen. Ich hatte sie vor Lance gewarnt, aber meine Worte hatten nicht den geringsten Eindruck auf sie gemacht. Anscheinend war es aus zwischen den beiden. Aber Kitty wurde von Tag zu Tag stiller und war immer mehr in sich gekehrt, und ich machte mir zunehmend Sorgen um sie. Hatte Lance ihr womöglich dasselbe angetan wie Atea?
    »Ich mache mir Sorgen, weil ich fürchte, dass die Insel uns verändert hat«, sagte ich.
    Kitty wandte sich mir zu, aber sie sah mich kaum an. »Stimmt, sie hat uns verändert«, sagte sie.
    »Kitty, es ist einfach so, dass …« Ich brach ab, als es an der Tür klopfte.
    »Ja? Wer ist da?«, rief ich.
    »Ich bin’s, Mary.«
    Ich band den Gürtel meines Morgenmantels zu und öffnete die Tür. Vor mir stand Mary, strahlend und mit rosigen Wangen. »Morgen, ihr Süßen«, zwitscherte sie und streckte den Kopf zur Tür herein, um Kitty zu begrüßen, aber die reagierte nicht.
    Mary hatte sich von der Malaria erholt, und sie war so guter Dinge, dass sie bei der Arbeit vor sich hin summte, während wir anderen stöhnten. Stella hatte erzählt, dass Mary sich mit einem Mann namens Lou angefreundet hatte, aber Mary selbst hatte noch nichts davon erwähnt. Ich hoffte, dass Stella recht hatte. Mary hatte ein bisschen Glück verdient.
    Der Gedanke versetzte mir einen Stich. Der Brief, der für Mary gekommen war. Von ihrem Ex-Verlobten. Ich warf einen Blick auf den Schuhkarton unter meinem Nachttisch, in dem ich den Brief versteckt hatte mit der Absicht, ihn ihr zu geben, sobald sie es verkraften würde, ihn zu lesen. Ich hob den Deckel an, und als ich hineinlangte, fiel Gerards letzter Brief heraus. Ich lief hochrot an und schob ihn hastig wieder in den Karton. Wie sollte Mary in der Lage sein, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, wenn nicht mal ich mit meiner umgehen konnte?
    »Ich wollte euch beide für heute Abend zu einer kleinen Soiree einladen«, sagte Mary. Ihr Augen leuchteten wie die einer Frischverliebten. »Ich treffe mich mit ein paar Freundinnen zum Grillen am Strand. Stella, Liz, noch ein paar andere Schwestern, und es kommen auch ein paar Männer. Um halb acht fahren wir alle zusammen in einem Lastwagen zum Leatra-Strand. Ich glaube, Westry wird auch dabei sein, Anne.«
    Sie schaute mich wissend an, doch ich wandte mich ab. Ich hatte seit drei Wochen nicht mehr mit Westry gesprochen, und ich befürchtete schon, dass der Kontakt zwischen uns abgebrochen war. Sicher, sein Vorgesetzter hielt ihn auf Trab. Aber er kam kaum noch in die Hütte, nicht einmal, wenn er dienstfrei hatte.
    Leatra. Dieser Strand lag nur einen Steinwurf von unserer Hütte entfernt. Etwas schnürte mir die Brust zusammen. Wovor fürchtete ich mich? Natürlich würde niemand die Hütte finden. Niemand wusste von ihr – außer Westry und mir. Ja, manchmal hatte ich das Gefühl, als wäre sie überhaupt nur für uns sichtbar. Genau darüber hatten wir gesprochen, als wir das letzte Mal dort gewesen waren und ein Soldat vor sich hin pfeifend über den menschenleeren Strand gegangen war. Das Pfeifen hatte mir eine Gänsehaut verursacht. Würde er die Hütte entdecken? Würde er uns sehen? In dem Moment war mir bewusst geworden, wie sehr ich diese Hütte liebte, unsere kleine private Welt, und wie sehr mir daran

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