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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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einen Lastwagen stiegen. Stella war da mit Will, außerdem Liz und Mary mit ihrem neuen Freund Lou.
    Wir liefen zu dem Laster und stiegen ein. »Hallo«, sagte ich, als ich mich neben Mary setzte.
    Sie strahlte mich an. »Toll, dass ihr mitkommt! Liz hat einen Koch aus der Kantine überredet, sich uns anzu schließen, und sieh dir mal an, was er alles mitgebracht hat …«
    Mary zeigte auf eine mit Eis gefüllte Kiste, in der Hähnchenschenkel und Maiskolben zum Grillen und Kartoffel salat zu sehen waren. Eine andere Kühlkiste enthielt jede Menge Bierflaschen. Schüchtern schaute ich mich in dem Laster um, bemüht, keinen Blickkontakt mit den Männern aufzunehmen. Viele der Gesichter, denen die Vorfreude anzusehen war, kannte ich nicht. Lance war auch dabei, er saß neben einer blonden Schwester. Wie hieß sie noch gleich? Ach ja, Lela. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich an die arme Atea dachte. Lance hatte sie benutzt, er hatte ihr wehgetan. Vielleicht war er mit Kitty genauso umgegangen. Ich hoffte, dass Kitty nicht mitbekam, wie er mit der Blonden flirtete.
    Ich sah mich nach Westry um.
    Mary musste meine Gedanken gelesen haben. »Sieht so aus, als hätte er es nicht rechtzeitig geschafft«, sagte sie. »Tut mir leid.«
    Ich zuckte die Schultern. »Ist ja nicht deine Schuld«, sagte ich und spielte an meinem Verlobungsring. »Wir haben nichts miteinander.«
    Ich klammerte mich an Kitty, während der Laster über die holprige Straße rumpelte. Jedes Schlagloch machte mir mein schlechtes Gewissen bewusst. Wie konnte ich, eine verlobte Frau, Gefühle für Westry zulassen? Ich kannte ihn ja kaum. Hatte die Insel mir den gesunden Menschenverstand geraubt? Kitty starrte ausdruckslos vor sich hin. Als der Laster kurz darauf an einer Stelle am Strand hielt, sprangen alle auf, außer Kitty.
    »Kitty«, sagte ich. »Los, komm!«
    Sie nickte und stand so langsam auf, als kostete es sie große Anstrengungen. Lance hob Lela von der Ladefläche und setzte sie auf dem Sand ab. Sie kicherte und klimperte mit den Wimpern. Kitty wandte sich hastig ab. War es ein Fehler gewesen, sie zum Mitfahren zu überreden? Auch ich fühlte mich nicht recht wohl in dieser Gesellschaft.
    Mary ging voraus an den Strand und erklärte den Männern, wo sie die Decken ausbreiten sollten, wo der Koch das Feuer machen sollte, wo die Getränke abgestellt werden sollten. Alle staunten und jubelten, als ein Gefreiter namens Shawn einen grauen Rundfunkempfänger auspackte und die Antenne auszog. Selbst Kitty lächelte ein bisschen. Der Macht der Musik konnte keiner von uns widerstehen.
    »Mal sehen«, sagte Mary, als alle auf den Decken Platz genommen hatten. »Ich hoffe, dass wir hier eine Verbindung bekommen.« Sie drehte an den Knöpfen des Empfangsgeräts herum und lauschte, als schwach eine männliche Stimme zu hören war, die – mit australischem Akzent – die neuesten Nachrichten so schnell und eindringlich herunterrasselte, dass sich mein ganzer Körper anspannte.
    »Japanische Kampfflieger haben heute die Nordküste bombardiert und eine Schneise aus Tod und Zerstörung hinterlassen.« Wir rückten alle näher, um besser zu hören. »Es hat mehrere Hundert Tote gegeben, die meisten davon Frauen und Kinder.« Mary drehte an dem Knopf. Nach ein paar Sekunden verschwand das Rauschen, und wir hatten einen ganz klaren Empfang. Die Melodie, die ertönte, war romantisch und betörend. »Wie seltsam«, bemerkte Mary. »Das ist ein französischer Sender.«
    Der Text war in einer fremden Sprache, die Melodie war mir unbekannt, und dennoch zog das Stück uns alle in seinen Bann. Stella kuschelte sich an Will. Lou nahm Marys Hand und forderte sie zum Tanzen auf. Ein paar andere Frauen begannen mit Männern zu tanzen, die ich nicht kannte, sogar Liz suchte sich einen Tanzpartner. Nicht einmal Kitty hatte etwas dagegen, als ein Soldat sich neben sie setzte. Sie grinste und biss herzhaft in ihren gerösteten Maiskolben. Die Musik weckte eine Sehnsucht in mir, die ich zu unterdrücken versuchte – Sehnsucht nach Westry. Ich schaute auf das Meer hinaus und zu dem Strandabschnitt hinüber, an dem unsere Hütte lag. Es wurde schon dunkel. Lieber nicht hingehen , dachte ich. Außerdem würde er sowieso nicht dort sein. Aber während ich der Musik lauschte, wurde der Drang immer stärker, bis ich nicht mehr widerstehen konnte. Nur für eine halbe Stunde. Niemand würde etwas bemerken. Niemand würde mich vermissen.
    Während ich den Strand entlangeilte,

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