Einen Stein für Danny Fisher: Roman
Mimi hatte also nicht gepetzt. Diese Debatte dauerte bereits sechs Monate - seit dem Tag, an dem das Thema meiner Bar Mitzvah zur Sprache gekommen war.
Papa wollte für den Empfang einen kleinen Saal mieten, aber Mamma wollte nichts davon hören. "Wir können uns das Geld dafür sparen", hatte sie gesagt. "Du weißt, wie schlecht die Geschäfte gehen, und es fällt dir ohnedies schwer genug, die Raten für die Hypothek aufzubringen. Und die Corn Exchange Bank wird auf ihre dreitausend Dollar auch nicht warten wollen." Papa hatte nachgegeben. Er mußte nachgeben, er hatte keine andere Wahl. Die Geschäfte gingen noch immer nicht besser. Nach seinen gelegentlichen Bemerkungen zu urteilen, waren sie sogar schlechter geworden. In den letzten Monaten war er sehr nervös und reizbar gewesen.
Ich stieß die Tür auf und trat in die Küche, Rexie folgte mir dicht auf dem Fuß. "Guten Morgen", sagte ich zu beiden, und dann fragte ich Mamma: “Was brauchst du aus dem Laden?"
Sie sah mich kaum an. "Das übliche. Danny", erwiderte sie.
"Darf ich mir ein paar gefüllte Pfannkuchen kauten. Ma?"
Sie lächelte. "Natürlich, Danny." Sie nahm aus einem Glas auf dem Brett oberhalb des Spültisches einen Dollar und reichte ihn mir. Schließlich ist's ja dein Bar-Mitzvah-Tag."
Ich nahm den Dollar und wollte gehen, aber Mamma rief mir nach: "Vergiß nicht, das Wechselgeld nachzuzählen, Danny."
"Nein, Ma", rief ich über die Schulter zurück, öffnete die Haustür und ließ Rexie hinaus. Der Hund lief mir voran, schräg über den Fahrweg und zum Rinnstein.
Als ich auf die Straße hinaustrat, hörte ich auf der Veranda der Conlons Stimmen. Verstohlen hinüberblickend sah ich Mimi und Marjorie Ann, die die Köpfe zusammensteckten. Ich ging an ihnen vorbei, als hätte ich sie nicht gesehen, mußte aber wegen Rexie vor der Veranda stehenbleiben. Marge sah mich an und begann zu kichern. Ich fühlte, wie ich glühend rot wurde,
"Heut Nachmittag komm ich zu deiner Party", rief sie.
Ich ärgerte mich über mich, weil ich rot geworden war. "Du brauchst mir keine Gnaden zu erweisen", sagte ich unfreundlich. "Meinetwegen brauchst du überhaupt nicht zu kommen."
Sie lachte spöttisch. "Aber Danny, wie sprichst du auf einmal!" sagte sie sarkastisch. "Du weißt ganz genau, daß du keinen Spaß hättest, wenn ich nicht käme. Außerdem bist du doch ein Mann, wenn du von deiner Bar Mitzvah zurückkommst. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie du dich dann benimmst."
Rexie lief jetzt fröhlich die Straße hinunter. Ich folgte ihr, ohne zu antworten.
Das Licht der Synagoge war düster und grau., da es bloß durch winzige Fenster fiel, die hoch oben in die Wände eingelassen waren. Ich sah mich nervös um. Auf einem kleinen Podium vor der Thora stehend., blickte ich in den Raum. Drei alte Männer, die sich gleich mir auf dem Podium befanden, trugen kleine schwarze Yamalkas. Meines war aus weißer Seide.
Die Gesichter der vor dem Podium Versammelten sahen erwartungsvoll zu mir herauf. Ich kannte die meisten, es waren meine Verwandten. Im Hintergrund der Synagoge stand ein kleiner Tisch mit allerlei Kuchen, Whisky- und Weinflaschen bedeckt, die im Dämmerlicht glänzten.
Mein Lehrer, Rabbi Herzog, nahm die Thora herunter und öffnete sie. Er winkte mir, an den Rand des Geländers zu treten, dann wandte er sich an die Gläubigen und begann auf jiddisch.
"In diesen unruhigen Zeiten", sagte er mit dünner, zitternder Stimme, tut es einem Mann wohl, einen Knaben zu finden, der sieh nicht schämt, ein Jude zu sein. Es tut einem auch wohl, einen solchen Knaben zu unterrichten. Es ist für mich eine Ehre, so einen Jungen für die Bar Mitzvah vorzubereiten, um ihn in die Gemeinschaft der jüdischen Männer aufzunehmen." Er wandte sich mir feierlich zu. "Ich habe hier so einen Jungen." Damit drehte er sich wieder zu den Gläubigen zurück und setzte seine Rede fort.
Ich versuchte mir das Lachen zu verkneifen. Der alte Heuchler! Er hatte mich die ganze Zeit, in der er mich unterrichtete, immer nur angeschrien. Ich lauge zu nichts und werde nie zu etwas taugen; und die Bar Mitzvah werde ich auch nicht bestehen, weil ich zu dumm bin.
Einen Moment sah ich das Gesicht meiner Schwester, die zu ihm aufsah. Ihre Miene war konzentriert und andächtig. Dann lächelte sie mir mit einem Anflug von Stolz flüchtig zu, und ich erwiderte ihr lächeln.
Rabbi Herzog verstummte und wandte sich wieder mir zu. Ich trat langsam in die Mitte des Podiums und legte
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