Einen Stein für Danny Fisher: Roman
meine Hände auf die Thora. Dann räusperte ich mich nervös. Ich sah, wie Mamma und Papa mir erwartungsvoll zunickten. Einen Moment lang war mein Gehirn wie ausgeleert, und Panik erfaßte mich. Ich hatte das komplizierte Ritual vergessen, das ich durch so viele Monate auswendig gelernt halte.
Da hörte ich Rabbi Herzogs heiseres Flüstern: "Borochu ess . . ."
Mit überströmender Dankbarkeit stürzte ich mich auf das Stichwort. "Borochu ess Adonai . . ." jetzt war alles gut, und die übrigen Worte strömten mir wie von selbst zu.
Stolz lächelnd blickte sich Mamma im Kreise um.
Jetzt begann ich die Feierlichkeit des Gebetes zu empfinden. Ich wünschte mir, ich hätte der Bedeutung der hebräischen Worte, die ich so geläufig hersagte, mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Vage erinnerte ich mich, daß ich Gottes Beistand erflehte, um ein ehrenwerter Mann zu werden, der ein anständiges jüdisches Leben führt. Ein feierliches Gefühl von Verantwortungsbewusstsein erfüllte mich. Denn gestern war ich noch ein Knabe und heute bin ich bereits ein Mann. Mit diesem Ritual nahm ich auch die ganze Verantwortlichkeit auf mich. Ich beschwor vor meinen Verwandten und Freunden, meine Verpflichtungen als guter Jude stets und immerdar zu erfüllen. Ich hatte vorher nie viel darüber nachgedacht. Insgeheim wußte ich, daß ich mir nie gewünscht hätte, ein Jude zu sein. Ich erinnerte mich, wann ich zum erstenmal darüber nachgedacht hatte: es war damals, als mich Paul und sein kleiner Bruder in die Grube von Clarendon und Troy stießen, an dem Tag, an welchem ich Rexie gefunden hatte. Die Grube war längst ausgefüllt und darüber waren Häuser gebaut worden, aber ich konnte nie an dieser Stelle Vorbeigehen, ohne mich zu erinnern. Mir fiel auch ein. daß ich Mamma am nächsten Tag gefragt habe, ob wir nicht etwas anderes als Juden werden könnten. Was sie mir damals auch geantwortet hat, war jetzt nicht mehr wichtig. Denn jetzt wurde ich zum Juden geweiht.
Die letzten Phrasen des Gebetes glitten über meine Lippen, und als ich zu den Andächtigen hinunterblickte, überkam mich ein Triumphgefühl. Mamma weinte, und Papa schneuzte sich in ein großes weißes Taschentuch. Teil lächelte ihnen zu.
Rabbi Herzog legte jetzt den Talles über meine Schultern einen weißen Seidentalles mit dem blauen Davidstern, den Mamma mir gekauft hatte, Er sprach noch einige Worte, dann war alles vorbei.
Ich lief die Stufen hinunter. Mamma umarmte und küßte mich und wiederholte immer wieder meinen Namen. Ich wurde verlegen und wünschte mir sehnlich, daß sie mich endlich losließe. Jetzt war ich schließlich ein Mann, und sie benahm sich so, als wäre ich noch immer ein Kind.
Papa schlug mir auf die Schulter. "Bist ein braver Junge, Danny." Er lächelte. Dann wandte er sich an Rabbi Herzog, der hinter mir die Stuten heruntergekommen war. "Er hat sich doch brav gehalten, Rabbi, nicht wahr?" fragte er.
Rabbi Herzog nickte nur kurz und drängte sich, ohne zu antworten, an Papa vorbei zum Erfrischungstisch. Die andern Männer, die auf dem Podium gestanden waren, folgten ihm eilfertig.
Papa nahm mich am Arm und führte mich gleichfalls zu dem Tisch. Er war in bester Stimmung, das merkte ich ihm an. Jetzt füllte er feierlich etwas Whisky in einen Papierbecher und reichte ihn mir.
"Harry!" protestierte Mamma.
Er lachte sie nur vergnügt aus. "Laß nur, Mary-', sagte er heißer, -der Junge ist jetzt ein Mann!"
Ich nickte heftig mit dem Kopf. Papa hatte recht. Ich nahm den Becher aus seiner Hand.
"Prost!" sagte Papa.
"Prost!" erwiderte ich.
Papa legte den Kopf zurück und stürzte den Whisky hinunter. Ich machte es ihm nach. Er brannte wie Feuer auf dem Weg in meinen Magen. Ich begann zu husten und zu würgen.
"Da schau nur, was du angerichtet hast, Harry", sagte Mamma vorwurfsvoll.
Ich sah Papa durch tränende Augen an. Er lachte. Ein zweiter Hustenkrampf schüttelte mich, und Mamma zog meinen Kopf eng an ihre Brust.
3
Das Haus war mit Menschen überschwemmt. Ich mußte Rexie in mein Schlafzimmer bringen und die Tür schließen Menschenansammlungen machten sie immer nervös. Ich drängte mich auf dem Weg in den Keller durch die Menge, die im Wohnzimmer versammelt war. Mamma halle dort unten für uns Kinder ein Spielzimmer eingerichtet. Mein Onkel David rief mich zu sich.. Er stand in einer Ecke des Zimmers und sprach mit Papa. Ich trat auf ihn zu und er streckte mir die Hand entgegen.
"Viel Glück. Danny!"
"Danke. Onkel David" sagte ich
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