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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Engländer! Er sah nicht hin. Der Brief war schon fast ganz zerstört. Kinokarten, eine Rechnung aus einem Restaurant in Abbéville, eine Karte von seiner Stiefmutter, alles löste sich in Rauch auf. Er griff nach der Asche, zerrieb sie und warf sie weg. Fertig! Er erhob sich und blickte sich um.
    »Hands up! You are prisoner!«
    Zehn Meter entfernt von ihm stand ein Mann, das Gewehr im Anschlag. Vom Süden näherte sich im Sturmschritt ein anderer Mann in Phantasieuniform, eine Flinte auf dem Rücken. Offenbar ein Home guarder, einer von der britischen Heimwehr. Und jetzt erschien eine dritte Figur auf der Bildfläche – eine groteske Erscheinung in Khakihosen, einem schmutzigen Unterhemd, einer weißen Kochmütze auf dem Kopf und einer Schürze vor dem prallen Bauch. Der Dicke hatte ein Brotmesser in der Faust und tanzte auf ihn zu.
    »Ich hab ihn!« brüllte er aus voller Kehle den anderen zu. »You see! I got him first!«
    Es war der Koch der Scheinwerferbatterie, in deren Nachbarschaft die Me 109 ihre Bauchlandung gemacht hatte. Er war von seinen Töpfen und Pfannen weggestürzt, um einmal in seinem Leben ein Held zu sein.
    »Halt's Maul!« knurrte der Soldat mit dem Gewehr, der jetzt ebenfalls näher kam. Franz von Werra überlegte fieberhaft, wie er noch seine Maschine anzünden könnte. Im Cockpit lag eine Rolle Toilettenpapier – die einzige Ausrüstung, die ein deutscher Jagdflieger jener Zeit von seiner vorgesetzten Behörde erhielt, um eine Maschine im Notfall zu zerstören. Die Dienstvorschrift sah vor, daß der Flieger mit einem Taschenmesser die Benzinleitung anschneiden, das Toilettenpapier darunterhalten, ausrollen und von sicherer Entfernung anzünden sollte. Dann würde – das war die Überzeugung der Beamten des Reichsluftfahrtministeriums in der Leipziger Straße von Berlin – die Maschine sich alsbald in ein Flammenmeer verwandeln. Dazu war es jetzt allerdings entschieden zu spät.
    Einen Moment dachte er flüchtig daran, die Signalpistole in die Tanks zu feuern. Aber er hatte jetzt drei Männer mit Gewehren vor sich, und da war immer noch der Clown mit dem Brotmesser und der weißen Mütze. »I got him!« schrie er wieder. »Oh shut up, you fool – halt's Maul, du Narr« knurrte einer der Soldaten.
    Franz von Werra hob seine Arme, lächelte und sagte in seinem besten Englisch: »Gentlemen – I surrender – ich ergebe mich!«
    Die Soldaten der englischen Scheinwerferbatterie waren von Anfang an für ihren Gefangenen eingenommen. Sie lebten mitten im Land, in einer Art Sandburg, die drei Scheinwerfer enthielt, einen MG-Stand und die Baracken, die erforderlich sind, um eine Scheinwerferbesatzung aufzunehmen. Und nun glaubten sie gar, daß sie mit einem Feuerstoß aus ihrem alten Lewis-MG diesen Jäger aus der Luft geholt hatten.
    Von dem Panzergraben her war inzwischen eine weitere Gestalt herangestürzt. Es war der Schullehrer des Dorfes, Donald A. Fairman. Er hatte den Abschuss beobachtet, als er im Garten stand und seine Blumen begoss. Eilig war er ins Haus gestürzt, hatte seinen Heimwehr-Rock angelegt und die Flinte über den Rücken geworfen. Dann war er auf dem Fahrrad davongejagt, um den Flieger festzunehmen. Aber seine Frau hatte die Tür des Hauses geöffnet und ihm sanft nachgerufen: »Donald!«
    »Was ist los! Ich hab's eilig. Da ist ein Flieger …«
    »Ich weiß!« sagte seine Frau. »Aber du hast deine Mütze vergessen!«
    Wahrhaftig, er hatte die Mütze vergessen. Er konnte nicht gut einen Jerry verhaften, ohne etwas auf dem Kopf zu haben. Er fuhr zurück, nahm die Mütze in Empfang und stürzte zum zweiten Mal davon. Auf diese Weise kam er zu spät und mußte zusehen, wie die verdammten Scheinwerferleute mit ihrem Koch den Deutschen festnahmen. Er verzieh es seiner Frau niemals ganz, daß sie ihn wegen der Mütze zurückgerufen hatte.
    Mittlerweile war ein Feldwebel erschienen, der System in die Verhaftung brachte. Er nahm einem der Soldaten den Helm vom Kopf und sagte zu von Werra: »Los, alles reinlegen. Pistole, Paß, Papiere, Messer, Uhr! Alles!« Werra gehorchte.
    Dann setzte sich der seltsame Zug in Bewegung und marschierte schweigend in Richtung auf Maidstone, eine größere Stadt an der Landstraße London – Folkestone. Es war jetzt ganz still in der Luft, nur von weither hörte man das Entwarnungssignal der Sirenen …
    Die Eskorte brachte Werra in das Grafschaftsgefängnis und sperrte ihn dort in eine Zelle. Zum ersten Mal in seinem Leben saß Franz von

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