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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Werra hinter Gittern.

Die Engländer verhören anders
    Der Lastwagen rumpelte über schlechte Straßen nach Nordwesten. Der Wagen war miserabel gefedert, und Werra wurde hin- und hergeworfen. Ein grauer Himmel wölbte sich über die pastellgrüne südenglische Landschaft. Die Sonne war hinter einem Dunstschleier verborgen.
    Werra kam aus dem Staunen nicht heraus. Seit über eine Stunde fuhren sie über diese Straße, und er wußte jetzt zum ersten Mal, wie ernsthaft sich Großbritannien gegen die Invasion der Deutschen rüstete, die wie ein Sommergewitter in der Luft hing.
    Es gab kaum eine Wiese, die nicht von meilenlangen Panzergräben durchzogen war. Obstbäume waren umgehackt worden, um freies Schussfeld zu schaffen. Erdwälle waren aufgeworfen worden als Splitterschutz, alle Meilensteine und Wegweiser waren verschwunden. Tarnnetze waren kilometerweit über die Straße gespannt, und rechts und links von dem langen Highway parkten Lastwagen, Munitionsfahrzeuge, Schützenpanzerwagen und andere Gefährte. Soldaten in Khakiuniformen und Heimwehrmänner liefen geschäftig umher.
    Mann, Mann, dachte Werra, wenn unsere Jungs hier landen, dann kriegen sie gehörig Zunder.
    Er hatte vergeblich versucht, mit seinen Bewachern, zwei baumlangen Soldaten, ein Gespräch anzufangen. Sie blickten ihn nur mit großen, ausdruckslosen Augen an und schwiegen.
    Werra hatte eine schlechte Nacht hinter sich. Er hatte kaum geschlafen. Man hatte ihn am Nachmittag von dem Polizeigefängnis zur Infanteriekaserne von Maidstone gebracht, wo man ihn in die Arrestzelle sperrte. Weder im Polizeigefängnis noch in der Kaserne schien man an ihm besonderes Interesse zu haben. Niemand war erschienen, um ihn zu verhören. Niemand war aufgekreuzt, um ihm peinliche Fragen zu stellen. Er wurde einfach weitergereicht, von stummen Posten mit altertümlichen Gewehren und langen Pferdegesichtern. Mürrische Sergeanten unterschrieben Quittungen – ›Einen Gefangenen übernommen‹ –, Schlüssel rasselten, man gab ihm Kakao zu trinken, Türen schlugen zu, und er blieb einfach allein.
    Vielleicht ist das ein Trick von den Tommies, dachte er. Ich muß höllisch aufpassen. Vielleicht wollen mich die Brüder auf diese Tour weich kriegen.
    Dann dachte er wieder: Die sind einfach zu dumm. Die sind zu dumm, um mich auszuhorchen.
    Er hatte sich schon alles zurechtgelegt: Namen, Dienstgrad, Nummer der Erkennungsmarke. Das war alles, was er sagen würde. Das war alles, was nach der Genfer Konvention von einem Kriegsgefangenen verlangt werden konnte.
    Aber es kam niemand, um ihn nach seinem Namen zu fragen.
    Vorsicht, Vorsicht, sagte er sich. Vielleicht war das nur das Vorspiel zu einer grausamen Quälerei. Man munkelte, daß die Briten ihre Gefangenen manchmal folterten, um Geständnisse von ihnen zu erpressen. Niemand seiner Kameraden wußte, daß er heil unten angekommen war. Die Briten konnten ihn eiskalt verschwinden lassen, wenn sie wollten.
    Das alles hatte er in der Nacht überlegt, in der stickig-heißen Zelle, auf dem harten Feldbett mit den muffigen Decken.
    Es war ihm zum ersten Mal richtig bewußt geworden, daß er ein Gefangener war. Während er da gelegen hatte und die Gedanken fiebrig durch seinen Kopf schossen, war es ihm klar geworden, daß er bei der ersten besten Gelegenheit ausbrechen würde. Für ein Leben hinter Gittern oder hinter Stacheldraht war er nicht gebaut.
    Der Lastwagen hielt plötzlich. Vorne hatte es eine Verkehrsstockung gegeben. Irgendeine Kontrolle an einer Straßensperre. Zwei kleine Jungs kamen über die Straße und schauten Werra neugierig an. »Heil Hitler«, rief einer und reckte seinen rechten Arm in die Luft.
    Werra grinste. Freches Volk, diese englischen Jungs, dachte er. Am Nachmittag vorher, in dem Polizeigefängnis, hatte sich doch solch ein Schlingel, der Sohn eines Polizeisergeanten, zu seiner Zelle geschlichen und ihm ein Autogrammbuch durch das Gitter hereingereicht. »Schreiben Sie mir was rein?« hatte er gefragt.
    Zwischen die Autogramme von Filmschauspielern und lokalen Größen hatte Franz von Werra geschrieben:
    »Ich bin gar nicht glücklich darüber, daß ich hier bin, und ich hoffe, dich einmal wieder zu sehen, aber dann nicht als Kriegsgefangener, sondern als Freund. F.v. Werra, Deutsche Luftwaffe. Den 5. September, im zweiten Kriegsjahr.«
    Der Bengel hatte sich sein Geschreibe aufmerksam angeschaut, das Buch zugeklappt, grüßend mit seinem Finger an die Stirn getippt und war verschwunden …
    Der

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