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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Wagen ruckte wieder an, und Werra wurde aus seinen Gedanken herausgerissen. Sie kamen jetzt an großen Häuserblocks vorbei. Sie hatten London erreicht.
    Werra hatte sich die britische Hauptstadt wie eine belagerte Festung vorgestellt, aber davon war nichts zu merken. Die Schaufenster waren übervoll von Lebensmitteln. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, als er ganze Pyramiden von Südfrüchten entdeckte. Der Fahrer hielt sich an die Nebenstraßen, das Gefährt hoppelte über grobes Pflaster und hielt schließlich vor einem efeuumsponnenen Haus, das durch eine nüchterne Backsteinmauer von der Straße getrennt war.
    Er wurde in einen kleinen Verschlag geführt, wo ein missmutiger Feldwebel hockte, der ihm ein Formular über den Tisch schob. »Wo bin ich hier?« fragte Werra.
    »Ausfüllen.«
    »Wo ich hier bin!«
    »Werden Sie schon erfahren. Ausfüllen.«
    Es war ein sehr indiskreter Fragebogen, der genaue Antworten verlangte über Truppenteil, Vorgesetzte, Ausbildung, Orden. Was für ein idiotisch einfacher Trick. Werra hätte gern gelacht, aber das gelang ihm nicht. Die Luft in Kensington Palace Gardens, dem britischen Gefängnis für besondere Kriegsgefangene, war dick und roch nicht freundlich. Etwas von der Panik der vergangenen Nacht kehrte zurück. Er überwand das Gefühl, schrieb die drei Antworten, die jeder Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention geben muß – Name, Dienstgrad und Nummer der Erkennungsmarke – auf den Fragebogen und schob ihn zurück.
    »Ausfüllen«, sagte der Sergeant.
    »Ich habe das ausgefüllt, was ich auszufüllen habe.«
    »Machen Sie keinen Quatsch. Wir holen's doch aus Ihnen raus!«
    »Nein!«
    »Mann Gottes, wenn wir Sie drei Stunden in der Mangel haben, erzählen Sie ein Buch! Los, ausfüllen. Sie sind nicht der erste, der hier große Töne spuckt. Werden alle klein.«
    »Nein. Ich weigere mich.«
    »Hey, McCormick!« Ein Soldat erschien. »Nimm diesen Gipsheiligen und bring ihn mal kurz auf Nummer 13. Du weißt schon.«
    McCormick grinste lüstern. »Weiß Bescheid!«
    »Auf was wartest du denn noch?«
    »Los, komm Jerry, armes Schwein!« Es ging über Treppen empor, an schalldichten Wänden entlang, vorbei an todernsten, aufrechten Militärpolizisten. Werras Gefühle waren weiter unter Null. Jetzt kommt es, dachte er, jetzt wird es ernst. Das ist also hier …
    Ein zweiter Soldat hatte sich dem ersten angeschlossen, ein Mann mit den weißen Gamaschen der MP. Er ging im Gleichschritt hinter McCormick her. Vor der Tür mit der Nummer 13 blieben die beiden stehen. Ein Schlüssel klirrte, die Tür wurde aufgestoßen: »Los, rein!«
    Er trat ein, die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. Ein Soldat ging weg, der andere blieb draußen stehen. Werra sah sich um. Es war ein kahler Raum mit einem abgetretenen Teppich, einem Tisch, einem Stuhl und einem Bett.
    Das Fenster war seit einem Menschenalter nicht mehr geputzt worden. Einsam baumelte eine elektrische Birne von der Decke. Na, Mahlzeit, dachte Werra. Er setzte sich auf das Bett und wartete. Aber es passierte nichts, nicht das geringste.
    Es war tödlich still in dem Raum. War es das Vorzimmer zur Hölle, oder war es einfach ein Warteraum? Er wußte es nicht. Er zog den Stuhl ans Fenster, setzte sich und starrte in den Himmel, in dem jetzt die Kameraden herumflogen, falls sie nicht gerade in den Beutestühlen auf dem Gefechtsstand saßen und mit eiskaltem Champagner einen neuen Abschuss feierten.
    Werra sprang auf und rannte ein paar Mal auf und ab. Wenn er wenigstens eine Zigarre hätte! Er blieb am Fenster stehen und studierte den Fensterrahmen. Gab es keinen Weg, aus diesem Steinhaus einfach auszubrechen? Er tastete über das Holz, betrachtete es aus der Nähe. Plötzlich wurden seine Augen groß. Jemand hatte mit dem Bleistift auf den Rahmen geschrieben:
    »Ihr werdet lachen, Tommies, aber den Krieg verliert ihr doch!
    Leutnant Manhart.«
    Werra mußte grinsen. Er drehte sich um. Die Tür war geöffnet worden, ein anderer Soldat stand darin, diesmal ein Korporal. Er war höflicher als der vorhergehende Begleiter. Er knallte die Hacken zusammen und sagte: »Herr Werra, bitte folgen Sie mir!«
    Na los, dachte Werra. In Gottes Namen! Und ging mit.
    Der Hauptmann in dem Vernehmungszimmer war ein älterer Mann mit einem sanften Gesicht und einer sanften Stimme. Er trug keine Waffe, er trat nicht geheimnisvoll oder drohend auf. Statt dessen schickte er den Korporal weg. »Sie können gehen. Ich läute, wenn ich jemand

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