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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Als die amerikanische Polizei vom deutschen Konsulat nur nichts sagende Erklärungen über Werras Verbleib erhielt, ordneten die Einwanderungsbehörden seine Vorführung auf Ellis Island an. Werra erschien natürlich nicht, denn er saß inzwischen in Berlin. Die Amerikaner zogen die hinterlegte Kaution von 15.000 Dollar ein. Die Presse schlug Alarm, aber Werra war über alle Berge. Die Kanadier alarmierten ihre Pazifik-Flotte, die den Auftrag erhielt, alle neutralen Passagierschiffe anzuhalten. Die Kanadier vermuteten, daß Werra über Japan und Russland nach Deutschland zurück wollte. Noch am 29. April stoppte ein kanadischer Kreuzer den amerikanischen Passagierdampfer ›President Garfield‹, und kanadische Soldaten durchsuchten das Schiff stundenlang nach dem deutschen Ausbrecher.
    Die Amerikaner reagierten ausgesprochen sauer auf Werras Flucht. Das Justizministerium ordnete an, daß in Zukunft aus Kanada entwichene deutsche Gefangene bereits an der Grenze abzuweisen und zurückzuschicken seien.
    Inzwischen wurde Franz von Werra vom Oberkommando der Luftwaffe und einem Dutzend anderen Dienststellen ausgequetscht. Er mußte über seine Erfahrungen in der britischen Kriegsgefangenschaft, vor allem mit englischen Abwehroffizieren, bis in die kleinsten Einzelheiten Bericht erstatten. Werra, ein scharfer Beobachter mit einem ausgezeichneten Gedächtnis, konnte der Luftwaffe wertvolle Hinweise dafür geben, wie sich abgeschossene Flugzeugbesatzungen zu verhalten hatten, die in die Hand der Briten fielen.
    ***
    Der Papierkram im Reichsluftfahrtministerium in Berlin gefiel Werra gar nicht. Er hatte keine Lust, wochenlang der Abwehr Lektionen zu erteilen. Er wollte wieder in eine Maschine klettern und sich die Erde von oben ansehen. Als am 22. Juni 1941 der Russlandfeldzug begann, setzte er Himmel und Hölle in Bewegung, um an die Front zu kommen. Inzwischen zum Hauptmann befördert, wurde er der 1. Gruppe des 53. Jagdgeschwaders zugeteilt. Innerhalb von vier Wochen schoß Werra acht sowjetische Flugzeuge ab. Er hatte jetzt 21 Abschüsse auf seiner Liste – doch die sieben Monate Gefangenschaft und Flucht hatten ihn weit zurückgeworfen. Es gab jetzt bereits ›Luftwaffen-Asse‹ mit siebzig und mehr Abschüssen.
    Im Spätsommer wurde sein Geschwader aus der Front gezogen und zur Umrüstung auf einen neuen Jägertyp nach Mannheim verlegt. Während dieses ›Heimatkommandos‹ heiratete Werra seine Braut Elfi. Seine Gefangenschaft lag hinter ihm. Seine Flucht und sein Abenteuerleben gehörten der Vergangenheit an. Er hatte einen neuen Lebensabschnitt begonnen. Vor Franz von Werra lag die Zukunft lockend ausgebreitet: Er war ein guter Offizier, ein gefeierter Mann und war glücklich verheiratet. Er war zufrieden mit sich und seinem Schicksal.
    Im September wurde sein Geschwader zum Küstenschutz nach Holland verlegt. Es war eine reine Verteidigungsaufgabe, und die deutschen Flugzeugbesatzungen schoben eine ruhige Kugel. Wenn Werra des Morgens zu seinen Routineflügen aufstieg, brauste er mit wackelnden Tragflächen über das kleine Häuschen in Katwijk, das er und Elfi gemietet hatten. Dann ging es ein Stückchen über Land und ein Stückchen über See hinaus, es wurde ein bißchen herumgeschnüffelt, ob irgendwo ein Tommy in der Luft war, und dann ging es wieder zum Einsatzflughafen zurück. Gegen britisches Gebiet durfte Werra auf Anweisung des Oberkommandos der Luftwaffe nicht mehr eingesetzt werden. Man wollte verhindern, daß der ›Mann, der zuviel wußte‹, nochmals in die Hände der Engländer geriet.
    Am Morgen des 25. Oktober startete Werra wie gewöhnlich mit zwei anderen Maschinen seiner Gruppe zu einem Übungsflug über der Nordsee. Die Maschinen brausten in niedriger Höhe über die steife See. Der Himmel war blank, und der Schein der Sonne wurde von dem Meer glitzernd zurückgeworfen. Es war ein Morgen wie jeder andere, aber an diesem Morgen hatte Franz von Werra ein Rendezvous mit dem Schicksal. Er war den Engländern entkommen, den Kanadiern entwischt und hatte den Amerikanern das Nachsehen gelassen. Seinem Schicksal konnte er nicht entkommen.
    Mitten über der See sahen die Piloten der beiden anderen Maschinen plötzlich, wie Werras Me nach vorn wegsackte.
    »Mein Motor ist sauer«, hörten sie die vertraute Stimme ihres Kameraden über den Sprechfunk. »Versuche eine Bauchlandung.«
    Sie sahen, wie seine Maschine an Höhe verlor und zum Steilflug überging. Mit rasender Geschwindigkeit schoß sie auf

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