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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hatte keine Wahl. Arthur Ballinger war nicht nur sein Mandant, dem er aufgrund seines Berufs Loyalität schuldete, sondern darüber hinaus Margarets Vater, und Margaret schuldete er als Ehemann in jeder Hinsicht Loyalität. Er konnte Monk nicht retten, ohne die anderen zu verraten. Freilich wäre Monk gewiss der Erste, der dieses Dilemma verstand.
    Der Hansom hielt vor seinem Haus. Es war dunkel, und die Straßenlampen verbreiteten an diesem nebligen Abend ein trübes gelbes Licht. Die Zweige regten sich, und die ersten Blätter trieben im Wind. Die Luft roch nach Erde und Regen.
    Der Butler öffnete ihm die Haustür – Margaret wartete im Salon auf ihn. Sie stand in der Mitte des Raumes, als hätte sie ihn kommen hören und wäre aufgestanden. Sie wirkte müde. Ihr Gesicht war von der Anspannung gezeichnet und auffällig blass, doch ihre Augen leuchteten. Kaum hatte Rathbone die Tür hinter sich geschlossen, eilte sie ihm entgegen, schlang beide Arme um ihn und küsste ihn auf die Wange und den Mund.
    Dann löste sie sich schnell von ihm. »Wir werden gewinnen, nicht wahr? Das sehe ich doch in den Gesichtern der Geschworenen. Sie werden ihn freisprechen.« Sie schloss die Augen. »Dafür danke ich Gott.«
    Er drückte sie fest an sich. »Wir sind noch nicht am Ziel, aber, ja, ich denke, sie werden deinen Vater freisprechen.«
    Sie öffnete die Augen wieder. »Sie müssen sich sicher sein, dass er diesen widerwärtigen Mann nicht umgebracht hat. Es genügt nicht, dass Monk den Mord nicht beweisen kann.«
    »Das hat nichts mit Monk zu tun, Margaret, sondern …«
    »Und ob es mit ihm zu tun hat!«, widersprach sie heftig. »Monk ist derjenige, der ihn verhaftet hat und für die Klage verantwortlich ist. Zwar hat nicht er ihn vor Gericht angeklagt, weil er kein Anwalt ist, aber er steckt dahinter, und jeder weiß das. Komm mir nicht mit Spitzfindigkeiten. Du musst sie wissen lassen, dass es jemand anders war, wahrscheinlich Rupert Cardew. Aber jetzt werden sie dieses Mädchen nicht mehr dazu bringen zu sagen, dass sie sein Halstuch gestohlen hat!«
    »Natürlich nicht. Das können sie gar nicht. Sie ist tot.« Er beobachtete Margarets Gesicht und fürchtete sich zugleich vor dem, was er darin sehen würde.
    »Das tut mir leid für sie«, erwiderte sie leise. »Aber leider ist es nun mal so, dass es mit Prostituierten recht oft ein schlimmes Ende nimmt. Und sie hat gelogen. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht hat er ihr gedroht. Aber das hat jetzt nichts mehr zu bedeuten. Die Geschworenen müssen wissen, dass sie ermordet wurde, und zwar höchstwahrscheinlich von Rupert Cardew. Dafür musst du sorgen. Und für die Verteidigung ist das doch gut, oder? Dann wird für sie feststehen, dass Papa unschuldig ist.«
    »Hörst du, was du da sagst, Margaret?« Er hielt sie auf Armeslänge von sich und blickte ihr ins Gesicht. Darin erkannte er Angst, die sie unter strenger Kontrolle hielt, den unbändigen Willen, zu schützen, und das eindringliche Bedürfnis, ihn zu überzeugen. Dass sie etwas gesagt oder vielleicht auch nur gedacht hatte, das einen Schatten auf ihre persönliche Integrität werfen könnte, schien ihr nicht bewusst zu sein.
    »Aber ja. Dass Gerechtigkeit geübt werden wird und wir wieder in Sicherheit sein werden«, antwortete sie.
    Sollte er streiten? Hatte das einen Sinn, oder würde sie das nur wütend machen und den Keil zwischen ihnen noch tiefer treiben? »Ist es dir denn gleichgültig, dass sie tot ist, ja, vielleicht ermordet wurde?«
    »Natürlich tut es mir leid! Ich bin nicht herzlos«, gab sie leicht gereizt zurück. »Aber sie hat eben ein Leben geführt, das fast zwangsläufig ein schlimmes Ende finden musste.« Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt nichts, was wir daran hätten ändern können. Wir müssen für vollständige Gerechtigkeit kämpfen – Vaters Entlastung in jedem Punkt. Und dann wird Monk seinen Fehler vielleicht wiedergutmachen, indem er Rupert Cardew zum zweiten Mal anklagt. Das kann er doch, nicht wahr? Ich meine, es gibt keinen Paragraphen, der das verhindert, weil schon einmal gegen ihn ermittelt worden ist. Ich weiß, dass keiner zweimal wegen des gleichen Verbrechens angeklagt werden kann. Aber angeklagt wurde er ja bisher noch nicht. Und es kann gut sein, dass er auch Hattie ermordet hat. Wenn du schon nicht beweisen kannst, dass er Mickey Parfitt umgebracht hat, kannst du ihn wenigstens wegen des Mordes an ihr hängen.«
    »Das klingt, als würde dir das gefallen«,

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