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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ganz England gab es niemanden mit mehr Geschick für die Aufdeckung von Verbrechen, größerem Mut und hingebungsvollerem Einsatz oder, wie manche sagen mochten, erbarmungsloserer Härte, doch an der Kunst der Führung der eigenen Männer und der Fähigkeit, Vorgesetzte oder höhere Ränge in der politischen Hierarchie für sich zu gewinnen, mangelte es Monk bisweilen sehr. Außerdem hatte er seine ersten Erfahrungen als Polizist in der Stadt, nicht auf dem Wasser gesammelt, ehe seine Rivalität mit seinem damaligen Kollegen und jetzigen Chef Runcorn mit seinem Rauswurf beendet worden war.
    Die Tatsache, dass die neuen Umstände Hester einen etwas längeren Weg auferlegten, stellte wirklich nicht mehr als einen kleinen Beitrag zu Monks Erfolg dar. Abgesehen davon fand sie großen Gefallen am Leben in dem Haus in der Paradise Place mit Blick über das Wasser in seinen zahllosen Launen, und nicht zuletzt bescherte ihnen ein regelmäßiges Einkommen endlich ein Leben frei von der Last finanzieller Sorgen.
    Im Schatten der Brauerei Reid marschierte Hester zügig die Portpool Lane hinunter und trat schließlich in das Haus, das früher zu einem riesigen Bordell gehört hatte. Es war Oliver Rathbone, der ihnen geholfen hatte, das gesamte Gebäude auf durchaus legalem Wege, wenn auch unter Ausübung beträchtlichen Drucks auf den Vorbesitzer, Squeaky Robinson, zu erhalten. Squeaky, mittlerweile geläutert, war allerdings geblieben. Zunächst schon deshalb, weil er sonst keine Bleibe gehabt hätte. Mittlerweile strahlte er jedoch einen gewissen Stolz auf das Anwesen aus und strotzte angesichts seiner neu gefundenen Ehrbarkeit vor Selbstgerechtigkeit.
    Als Hester das Gebäude betrat, stand Squeaky im Eingang, das Gesicht eingefallen, die strähnigen weißgrauen Haare hingen wie immer über den Kragen. Er trug seinen alten Gehrock, und zudem zierte ihn heute ein abgewetztes Seidenhalstuch.
    »Wir brauchen mehr Geld«, jammerte er, kaum dass sie durch die Tür gekommen war. »Ich weiß nich’, wie Sie von mir erwarten können, dass ich all das hier für ’nen Apfel und ’n Ei auf die Beine stelle!«
    »Erst letzte Woche haben Sie fünfzig Pfund bekommen!«, entgegnete Hester. Sie war an Squeakys Klagen gewöhnt und würde sich erst Sorgen machen, wenn er erklärt hätte, alles sei in bester Ordnung.
    »Mrs Margaret sagt, dass wir bald neue Töpfe für die Küche brauchen werden«, konterte er. »Und zwar in rauen Mengen! Große. Manchmal hab ich das Gefühl, wir füttern halb London durch.«
    »Lady Rathbone«, korrigierte Hester ihn automatisch. »Und Töpfe verschleißen nun mal, Squeaky. Irgendwann kann man sie eben nicht mehr ausbessern.«
    »Dann fordern Sie die hohe Dame doch auf, ein bisschen Geld dafür rauszurücken«, giftete er zurück.
    »Was ist denn aus den fünfzig Pfund geworden?«
    »Betttücher und Medikamente«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. »Sie können’s ihr gleich selber sagen. Sie is’ dort drüben.« Er wies in Richtung der Tür links von ihm.
    Es hatte keinen Sinn, das Gespräch hinauszuschieben. Das würde nur wie Drückebergerei wirken; mehr noch, sie würde sich schäbig und feige fühlen. Also gehorchte Hester seinen Anweisungen und marschierte gleich weiter ins nächste Zimmer. Margaret Rathbone stand mit einem blauen Notizblock in der Hand und gezücktem Bleistift an dem großen Tisch in der Mitte des Raumes. Bei Hesters Eintreten blickte sie auf. Einen Moment lang herrschte Totenstille zwischen ihnen, als hätte keine erwartet, die andere zu sehen, und doch mussten sich beide auf diese unvermeidliche Begegnung vorbereitet haben. Es war die erste seit Sullivans schrecklichem Selbstmord am Execution Dock und den Anschuldigungen gegen Margarets Vater, er sei die treibende Kraft hinter der Pornografie und der Erpressung gegen daran Beteiligte. Machenschaften, mit denen er Sullivan letztlich in den Ruin getrieben hätte. Beweise gab es nicht, nur diese unvergesslichen Worte. Und natürlich Wasserleichen. Margaret war nicht bereit zuzugeben, dass dergleichen überhaupt möglich war, wohingegen Hester es nicht von der Hand weisen konnte. So hatte sich eine Kluft zwischen ihnen aufgetan, über die keine Brücke führte.
    Eine schöne Frau war Margaret nicht, aber sie besaß regelmäßige Züge und eine ungewöhnlich anmutige Haltung. Und sie strahlte eine Würde ohne jede Arroganz aus – eine Gabe, wie sie nur wenige hatten. Jetzt legte sie ihren Notizblock auf den Tisch und

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