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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Antwort.
    »In einigen der vornehmen Gebiete?«
    »J-jaaa …«
    »Haben Sie da je etwas über Rupert Cardew gehört, den Sohn von Lord Cardew?«
    Phoebe starrte sie an.
    »Nur eine freundliche Warnung«, fuhr Hester fort. »Mir ist egal, ob die Wahrheit gut oder schlecht ist, aber wenn Sie mich anlügen und ich Sie dabei ertappe, sitzen Sie auf der Straße, und dann strecke ich Ihnen keine helfende Hand entgegen, wenn Sie von einer Kutsche überrollt werden. Verstehen Sie mich? Ich brauche die Wahrheit, die volle Wahrheit.«
    Phoebe überlegte. Ihr war deutlich anzumerken, dass sie das Für und Wider gegeneinander abwog.
    Hester wartete.
    »Was woll’n Sie denn wissen?«, fragte Phoebe schließlich.
    »Kennen Sie Mädchen, die mit ihm geschlafen haben … für Geld?«
    »Natürlich für Geld«, sagte Phoebe geduldig. »Is’ schließlich egal, ob er gut aussieht wie der Teufel persönlich und nett is’ und einen zum Lachen bringt; ein Mädchen muss ja trotzdem essen, und dann is’ auch noch der Beschützer da, der auch seinen Anteil haben will.«
    »Kennen Sie irgendwelche Mädchen, die mit Rupert Cardew geschlafen haben?«
    »Jaaa! Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt! Hab’s selber ein paar Mal gemacht.«
    Hester unterdrückte ein Aufflackern von Widerwillen. Was hatte sie denn gedacht, was Rupert mit den Straßenmädchen getrieben hatte, wenn er sie so gut kannte und seine Fürsorge sogar so weit ging, dass er Leuten, die ihnen halfen, Geld spendete?
    »Wie ist sein Charakter denn so?«, fragte sie laut.
    »Himmel! Sagen Sie bloß, Sie haben vor …!«
    »Nein, das habe ich nicht vor«, versicherte ihr Hester spitz. »Aber angenommen, es wäre meine Absicht?«
    »Also doch!«
    »Wenn ich es Ihnen doch sage! Andererseits … warum nicht?«
    »Weil er lustig is’ und einen zum Lachen bringt, bis das Mieder platzt, und wenn’s ans Zahlen geht, isser alles andere als geizig. Aber dann kann er auch zornig werden wie ’ne Ratte, die in die Enge getrieben worden is’, o ja!«
    »Hat er Sie etwa geprügelt?« Hester überlief es eiskalt, und plötzlich hatte sie ein flaues Gefühl im Magen.
    Phoebe riss die Augen weit auf. »Mich? Nein! Aber den Joe Biggins hat er grün und blau geschlagen, weil er sich so über ihn geärgert hat. Und nich’ nur den. Verzogen, würde ich sagen. Is’ es nich’ gewöhnt, auch mal ’n Nein zu hören, und versteht dann gar keinen Spaß mehr. Ich hab gehört, dass er mal ’nen Zuhälter fast totgeschlagen hätte, weil der ihn blöd angeredet hat. Keine Ahnung, wegen was. Und ’nen anderen armen Scheißer, der ihm auf die Nerven gegangen war, hat er windelweich geprügelt. Hat ihm später ’ne Menge Geld gegeben, damit er die Klappe hält.«
    »Warum? Wissen Sie das?«
    Phoebe zuckte ihre blassen, glatten Schultern. »Nein. Hätte alles Mögliche sein können. Hab gehört, dass es ziemlich übel war. Der dumme Affe hätte dabei auch draufgehen können. Hat ihm die Arme und den Schädel gebrochen und das Gesicht zu Brei geschlagen. Ich hab’s Ihnen ja gesagt, hitzköpfig is’ der Mann, wie man sich das bei einem, der sich die meiste Zeit wie ein Gentleman benimmt, gar nich’ vorstellen kann. Behandelt dich immer, wie wenn du was wert wärst. Bitte hier und danke dort. Nimmt sich aber andrerseits nie weniger, als sein Geld wert is’! Gesund wie ein Pferd!« Sie zuckte mit den Schultern und grinste Hester an – von Frau zu Frau.
    Hester nickte, darum bemüht, lediglich eine leicht interessierte Miene zur Schau zu stellen, nicht mehr. Einiges von dem, was sie zu hören bekam, hätte sie lieber nicht erfahren. Das alles war wirklich schrecklich peinlich. »Trinkt er viel?«
    »Tüchtig. Aber ich hab schon Schlimmeres gesehen.«
    »Kennen Sie andere Mädchen, mit denen er … zusammen war?«
    »Gutes Dutzend. Worum geht es überhaupt? Was hat er getan?«
    »Er wird beschuldigt, jemanden umgebracht zu haben.«
    »Wenn das ’n Zuhälter war, dann ham sie wahrscheinlich den Richtigen erwischt. Wird wohl nie erwachsen, der Kerl. Was meinen Sie, was der alles kurz und klein schlägt, wenn ihn der Zorn packt! Wie ein Kind, das nie ordentlich verdroschen wurde, als das nötig gewesen wäre. Wenn ich mich so aufgeführt hätte wie er manchmal, hätte mir mein alter Herr den Hintern versohlt, dass ich ’ne Woche lang beim Essen nich’ mehr hätte sitzen können. Tut mir leid, Miss, aber Sie wollten die Wahrheit, und das is’ sie.«
    »Er hat viele verschiedene Frauen …

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