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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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was.«
    »Was schwebt Ihnen denn so vor, Squeaky?« Kaum hatte sie das gefragt, bereute sie es auch schon. Was immer dieser Mann im Sinn haben mochte, es war sicher illegal. Er war der Eigentümer der Gebäude der heutigen Klinik gewesen, die er als Bordell betrieben hatte, bis Oliver Rathbone sie ihm auf raffinierte, aber rechtlich völlig einwandfreie Weise abgeluchst hatte. Sie hatten ihm dann angeboten, auf dem Gelände weiter Kost und Logis zu erhalten, sofern er das Freudenhaus in eine Klinik für kranke und verletzte Straßenmädchen umwidmete und deren Buchführung übernahm. Vor Empörung bebend und in Selbstmitleid zerfließend hatte sich Squeaky am Ende einverstanden erklärt. Und auch wenn er es nie zugegeben hätte, war er jetzt durchaus stolz auf seinen neuen Status. Zwar hielt er sich nicht immer an die Gesetze, doch er handelte eindeutig mildtätig.
    Die Verbindung zur kriminellen Unterwelt hatte er dabei jedoch keineswegs verloren und war im Kern seines Wesens ganz der Alte geblieben; geändert hatte sich nur sein Zugehörigkeitsgefühl. Dass die Mitarbeiterinnen der Klinik auf ihn bauen konnten, hatte sich gezeigt, als Claudine Burroughs sich auf eine abenteuerliche Verbrecherjagd begeben hatte und nicht mehr zurückgekehrt war. Irgendwann hatte sie einen Mann, den sie für Arthur Ballinger hielt, vor einem Laden gesehen, der pornografische Erzeugnisse verkaufte. Er hatte sich eine Fotografie angeschaut, die derart oszön war, dass sie vor Entsetzen in das tiefe Gassengeflecht in der Nähe des Themse-Ufers geflohen und dort bis zur Erschöpfung herumgeirrt war. Nur dank Squeakys Hartnäckigkeit war sie gefunden worden.
    Bis dahin war er noch nie ein Held gewesen. Jetzt genoss er das in vollen Zügen.
    »Und?«, drängte Hester.
    Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Glauben Sie, dass ihm das jemand angehängt hat?«
    »Ich weiß es nicht«, gab sie offen zu. »Jedenfalls gibt es mehr als genug Leute, die sich Parfitts Tod gewünscht haben könnten.«
    »Genau«, brummte Squeaky. »Das Komische is’ nur: Wie kommt es, dass er das nich’ wusste? Wie blöd muss einer sein, dass er allein auf dem Deck von ’nem Boot steht und einen Mann an Bord klettern lässt, von dem er weiß, dass der ihn hasst? Mir würde das nich’ passieren! Und glauben Sie mir, wer ein hübsches, kleines Geschäft auf dem Fleischmarkt hat, weiß, wer seine Rivalen sind. Man is’ gewappnet. Man umgibt sich mit Leuten, bei denen man sich drauf verlassen kann, dass sie einem den Rücken freihalten.« Er beobachtete ihre Reaktion.
    »Stimmt, das wird man wohl. Demnach wurde er also vermutlich von jemandem angegriffen, den er für ungefährlich hielt.«
    »Genau. Zum Beispiel einer, der gekommen war, um ihm Geld für irgendeinen Dienst zu geben, von dem er über kurz oder lang mehr haben wollte. Aber man beißt doch nich’ in die Hand, die einen füttert.«
    Langsam ließ Hester alle Luft entweichen. »Es sei denn, man kann seinen Jähzorn nicht beherrschen und denkt nicht weit voraus … und ist es außerdem gewöhnt, dass andere den Dreck wegräumen, den man hinterlässt, und hat es nie nötig gehabt, für irgendetwas geradezustehen. Ich denke, ich sollte noch sehr viel mehr über Rupert Cardew herausfinden, wenn das möglich ist.«
    Squeaky nickte. »Und ihm helfen. Ich hab nix dagegen, mit Frauen Geschäfte zu machen, die sowieso in dem Gewerbe sein wollen, aber bei Kindern is’ das was ganz anderes. Und Erpressung is’ schlecht fürs Geschäft. Ich sag immer: Ein ordentlicher Preis muss sein, und wenn er bezahlt is’, sind wir quitt.«
    Sie bedachte ihn mit einem müden Blick.
    »Gerecht is’ gerecht«, meinte er schulterzuckend. »Sie haben Ihre Gründe, Mr Cardew zu retten. Ich sag, er muss gerettet werden, weil es sowieso höchste Zeit war, dass Mickey Parfitt um die Ecke gebracht wurde. Der Kerl hat das Geschäft in Verruf gebracht, und außerdem war Mr Cardew sehr großzügig zu uns. Wir könnten uns glatt daran gewöhnen, so weiterzuleben. Er tut viel Gutes für diejenigen, die sonst keinen haben, der ihnen hilft.«
    »Sehr fromm, Squeaky!«, kommentierte Hester.
    »Danke«, sagte er liebenswürdig. Es war in der Tat ein aufrichtiges Kompliment gewesen, keine sarkastische Bemerkung. Andererseits verriet ein schalkhaftes Glitzern in seinen Augen, dass er die Doppelbödigkeit des Lobes sehr wohl verstanden hatte.
    Ein kurzes Klopfen ließ sie aufhorchen. Ehe Hester »Herein!« rufen konnte, ging die Tür

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