Eines Abends in Paris
direkt in das Objektiv einer Kamera.
13
Drei Dinge im Leben sind sicher, hatte Solène gesagt. Die Liebe, der Tod und die Paparazzi.
An diesen Satz musste ich denken, als ich am Dienstagvormittag ahnungslos den Boulevard Saint-Germain entlangging. Ich hatte den Morgen genutzt, um ein paar Erledigungen zu machen, und war nun mit allem fertig. Ich hatte die Quartalsbelege bei meinem Steuerberater abgegeben, ich hatte meine Hemden von der Reinigung abgeholt und neues Katzenfutter gekauft. Montags war ich nicht im Kino gewesen, und abgesehen davon, dass Orphée sich in einem unbeobachteten Moment das Hühnchen, das ich eigentlich hatte essen wollen, von der Küchenanrichte herunterriss und zu großen Teilen verspeiste, war der vorherige Abend völlig ereignislos verlaufen. Ich hatte fast vergessen, wie es sich anfühlte, mal wieder richtig gut ausgeschlafen zu sein.
Der Tag war noch jung und die Sonne zauberte den Frühling auf die Straßen von Paris. Ein perfekter Morgen, um sich irgendwo nach draußen zu setzen und bei einem großen café crème die Zeitung zu lesen. Ich setzte meine Sonnenbrille auf und ging beschwingt an zwei Mädchen vorbei, die in leichten Mänteln und mehrfach um den Hals geschlungenen Tüchern vor einem der Zeitungskioske standen und durch die Illustrierten blätterten.
Ich überlegte gerade, dass ich am Nachmittag mit Madame Clément und François darüber reden musste, dass uns in drei Wochen hoher Besuch ins Haus stand und wir das Kino wegen Dreharbeiten für ein paar Tage würden schließen müssen, als ich fast von einer Gruppe japanischer Touristen über den Haufen gerannt wurde, die lachend und schwatzend, mit Photoapparaten und bunten Einkaufstüten bewaffnet, einer Reiseführerin folgten, die ihren roten Regenschirm im Takt ihrer Schritte in die Luft stieß.
Ich trat zur Seite um auszuweichen und stand mit einem Mal direkt vor einem Kiosk mit Tageszeitungen.
Ringe von Cartier – ist das ihr Neuer?
Die Schlagzeile des Parisien sprang mir sofort ins Auge. Entgeistert starrte ich auf das Photo. Ein junger Mann mit dunkelbraunen Locken sah mir entgegen. Er schaute verdutzt in die Kamera und schien seinerseits ziemlich überrascht zu sein. Neben ihm stand eine Blondine im schwarzen Abendkleid und lächelte.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich realisierte, wer der Mann war.
»Das gibt’s ja nicht«, sagte ich.
Der Zeitungsverkäufer war sehr freundlich gewesen. Er hatte mir sogar eine Tüte angeboten. Ich hatte nicht nur Le Parisien gekauft, sondern auch Le Monde, Le Figaro, Libération, Les Échos, L’Équipe und sicherheitshalber auch noch die aktuelle Ausgabe des Paris Match. Dann war ich aufgeregt mit Katzenfutter, Hemden und Zeitungen ein paar Meter weiter ins Café de Flore geeilt und hatte mich in den ersten Stock begeben.
Um diese Uhrzeit war in der ersten Etage des Flore nicht viel los und man war ungestört. Normalerweise mied man als Pariser Etablissements wie das Deux Magots oder das Café de Flore, wo jeden Tag die Touristen saßen und ein bisschen von dem Glanz alter Tage zu erhaschen suchten, aber wenn es denn schon sein musste, entschied man sich doch lieber für das Café de Flore, das etwas weiter von der Kirche Saint-Germain entfernt lag, und dann am liebsten für die obere Etage, in die die meisten Touristen nicht vorstießen, es sei denn, sie wollten auf die Toiletten.
Ich durchquerte den hellen Raum, in dem nur zwei Damen saßen, die in ein angeregtes Gespräch vertieft waren und verdächtig nach Verlag aussahen. Sie blickten kurz auf, als ich hereinkam, dann wandten sie sich wieder einer Liste zu, die vor ihnen auf dem Tisch lag. Die eine redete und untermalte ihre Worte mit lebhaften Gesten. Die andere nickte interessiert und machte sich Notizen in ein kleines schwarzes Moleskine.
Ich verschanzte mich an einem der hinteren Tische am Fenster. Vorsichtshalber behielt ich meine Sonnenbrille auf. Ein Kellner in dunkler Weste kam herbei, um die Bestellung aufzunehmen.
Nachdem ich meinen café crème und ein Rührei bestellt hatte, erwartete ich schon beinahe ein »Sehr gerne, Monsieur Bonnard«. Doch der Kellner sagte nicht einmal »Sehr gerne, Monsieur«. Er brummte gleichgültig sein Oui und nahm die Karte wieder an sich.
Die Kellner im Flore sind schwer zu beeindrucken und meistens schlecht gelaunt. Immerhin haben im Laufe der Jahre schon sehr bedeutende Gäste an den Tischen ihres Cafés gesessen und sehr bedeutende Gespräche über Kunst,
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