Eines Abends in Paris
Hauptdarstellerin gebracht. Obwohl sie schon viele Jahre im Ausland lebte, war Solène Avril in Frankreich sehr beliebt – wahrscheinlich vor allem deswegen, weil sie aus Paris stammte und fließend Französisch sprach.
Von dem attraktiven Unbekannten, der Verlobungsringe bei Cartier kaufte, war in den anderen Zeitungen allerdings nicht die Rede, wohl aber davon, dass im Cinéma Paradis einige Szenen des Films gedreht werden würden. Dies hatte Solène Avril offenbar auf der Pressekonferenz am Tag zuvor erwähnt, und die Journalisten hatten ihre Worte eifrig mitgeschrieben.
»In diesem Kino war ich schon als kleines Mädchen – es ist für mich etwas ganz Besonderes, dort zu drehen. Und Paris ist immer noch Paris. Erst jetzt wird mir klar, wie sehr ich diese Stadt vermisst habe«, zitierte der Figaro, und Le Monde hatte unter der Headline Paris, je t’aime! Solène Avril und Allan Wood im Paradis! einen Artikel verfasst, der sich unter anderem auch etwas ausführlicher mit dem Inhalt des neuen Films beschäftigte.
»Zärtliche Gedanken an Paris« – das ist die Geschichte von Juliette, die ihren zukünftigen Ehemann Sam (gespielt von Ron Barker) auf einer Geschäftsreise nach Paris begleitet und in dem Kino ihrer Kindheit zufällig ihrer großen Jugendliebe Alexander (Howard Galloway) wiederbegegnet. Drei Tage haben die beiden, um gemeinsam ihre alten Lieblingsplätze aufzusuchen und eine Zeit heraufzubeschwören, in der alles möglich schien und die Gefühle eine Intensität hatten, die in ihrem Leben nicht mehr vorkommt.
»Natürlich ist manches im Leben unwiederbringlich. In ›Zärtliche Gedanken an Paris‹ geht es mir darum zu zeigen, dass die Träume der Vergangenheit niemals ganz verloren gehen. Sie werden vielleicht überlagert von anderen Dingen, aufgegeben oder verdrängt. Aber sie sind immer da. So wie auch die Liebe immer da ist. Man muss sie nur finden. Und wo könnte man das besser als in Paris?«, erklärte Allan Wood. Der scheue Regisseur tauchte nur kurz auf der Pressekonferenz auf.
Dass das traditionsreiche Cinéma Paradis einer der Originalschauplätze sein wird, freut Solène Avril, die in Woods neuem Film die weibliche Hauptrolle spielen wird, ganz besonders.
»In Amerika sind diese kleinen Programmkinos leider fast schon ausgestorben«, sagte der französische Star. »Ich finde es so beruhigend, dass es Menschen wie Alain Bonnard gibt, die an Qualität und alten Werten festhalten, auch wenn dies gewiss nicht dem Zeitgeist entspricht. «
Darunter war ein Photo von Solène Avril und Allan Wood zu sehen, wie sie nebeneinander vor einem alten Kaminsims standen. Und sogar im Paris Match fand sich eine zusammenmontierte Photocollage von Solène Avril, Howard Galloway und dem Eiffelturm, die mit einer kurzen Meldung über den bevorstehenden Aufenthalt der Schauspieler in Paris versehen war und mit der Frage endete, ob aus der schönen Solène und dem gutaussehenden Howard auch im wirklichen Leben ein Paar werden könnte.
Ich faltete die Zeitungen zusammen, stopfte sie in die Plastiktüte und wartete auf den Kellner, der sich schon seit geraumer Zeit im oberen Stockwerk nicht mehr blicken ließ. Schließlich klemmte ich einen Zwanzig-Euro-Schein zusammen mit dem Kassenbon unter die Tasse, griff nach meiner Jacke und sämtlichen Tüten und ging zum Treppenabgang, wo in einem Schaukasten Aschenbecher und Tassen aus dem Café de Flore zum Kauf angeboten wurden. Als ich unten an der Kasse vorbeiging, standen drei Kellner zusammen und unterhielten sich. Sie schenkten mir einen gleichgültigen Blick, dann redeten sie weiter. Diese Ignoranten wussten nicht, mit wem sie es zu tun hatten. Mit Alain Bonnard, einem Mann, der für Qualität und alte Werte stand.
Nach der Zeitungslektüre im Café de Flore, die mich amüsiert hatte und mir zudem eine leise Ahnung davon gab, was es bedeutete, im Blickpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen, kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass die folgenden Wochen recht aufregend für mich werden könnten. Und ich sollte Recht behalten.
Ich war kaum mit meinen Tüten und Hemden ein paar Schritte die Rue Bonaparte entlanggegangen, als mein Telefon klingelte.
»Wow! «, sagte Robert. »Chapeau, Monsieur Bonnard, chapeau! Ich wusste doch immer, dass ein echter Dandy in dir schlummert. Du bist ja schneller als der Schall.«
»Du aber auch, oder?«, entgegnete ich. »Seit wann liest du überhaupt den Parisien? «
»Seitdem mein Freund auf der Titelseite ist?«
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