Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
und mein erster Gedanke war Mélanie, die ich am Abend endlich wiedersehen würde. Ich dachte an ihre niedlich zerzausten Haare und ihren schönen Mund und seufzte sehnsuchtsvoll. Eine Woche war vergangen, seit wir uns nachts unter der alten Kastanie mit tausend Küssen voneinander verabschiedet hatten, doch es hätten auch vier Wochen sein können – so viel war passiert in diesen letzten Tagen. Die meiste Zeit über hatte ich kaum die nötige Muße gefunden, um meiner neuen Lieblingsbeschäftigung nachzugehen und von der Frau im roten Mantel zu träumen, doch hatten all die außergewöhnlichen Ereignisse mir das Warten auch verkürzt. Und so war mir diese eine Woche länger und gleichzeitig kürzer erschienen als eine normale Woche.
    Normal war im Augenblick sowieso gar nichts mehr. Allein am Vortag hatten noch drei weitere Journalisten angerufen, die etwas über das Cinéma Paradis schreiben wollten und sich nach dem Beginn der Dreharbeiten erkundigten. Monsieur Patisse von Le Monde hatte es sich nicht nehmen lassen, noch am selben Nachmittag wiederzukommen, um seine Fragen zu stellen und mich dann an der Seite meines alten Filmprojektors abzulichten, der ihm einen Glanz in die Augen zauberte, wie man es sonst nur bei Sechsjährigen sieht, die vor ihrer ersten Märklin-Bahn stehen.
    »Großartig, Monsieur Bonnard! Ganz wundervoll«, hatte er gerufen und prüfend in das Display seiner Kamera geschaut, und ich hatte nicht genau gewusst, ob er mich meinte oder den Projektor.
    »Und jetzt noch einmal, bitte … lächeln!«
    Meine Reputation stieg mit jeder Stunde. Robert, mit dem ich abends unbedingt noch eine Kleinigkeit essen gehen musste – dafür hatte er sogar die sensationelle Melissa versetzt –, war schwer beeindruckt von meinem neuen aufregenden Leben. Und selbst meine Eltern, die wohl den Artikel im Figaro entdeckt hatten, hatten mir auf den Anrufbeantworter gesprochen und mir zu meinem »schönen Erfolg« gratuliert. »Das ist eine tolle Sache, mein Junge, mach was draus«, hatte Papa gesagt, und ich wusste nicht so ganz genau, wie er das meinte. Sollte ich mein Kino jetzt ständig für Dreharbeiten zur Verfügung stellen? Hatte ich denn irgendeinen Einfluss darauf? Dennoch kann ich nicht bestreiten, dass mich seine anerkennenden Worte freuten.
    Die letzten Tage waren wie ein Wirbelwind durch mein sonst so beschauliches Leben gefegt, und doch hatte ich die ganze Zeit über das Gefühl, Mélanie in einem Winkel meines Herzens bei mir zu tragen. Ab und zu fasste ich an das Brieflein, das ich stets bei mir trug, und fragte mich, was sie wohl zu alldem sagen würde. Es gab so vieles, das ich ihr erzählen, an dem ich sie teilhaben lassen wollte. Doch das hatte Zeit.
    Denn das Wichtigste, das ich ihr sagen wollte, hatte nur etwas mit uns beiden zu tun. Das Warten hatte meine Sehnsucht vergrößert, und mir kamen tausend Worte in den Sinn, die ich in ihr hübsches Ohr flüstern wollte, wenn der Abend zur Nacht werden würde und die Nacht zum Morgen.
    Ich machte mir einen Espresso und stellte mir vor, wie Mélanie die Straße entlangkommen würde in ihrem roten Mantel, mit diesem leichten, aufrechten Gang und einem erwartungsvollen Lächeln.
    Ich würde draußen auf sie warten und sie in meine Arme ziehen. Nein, ich würde ihr entgegenlaufen voller Ungeduld. »Endlich bist du da«, würde ich sagen. Und ich würde sie nie mehr loslassen.
    Es war lange her gewesen, dass ich unter der Dusche gesungen hatte. An diesem Morgen tat ich es. »Viens, je suis là, je n’attends que toi «, sang ich immer wieder den Refrain eines alten Chansons von Georges Moustaki, »tout est possible, tout est permit «.
    Ja, ich war da, selten hatte ich mich so präsent gefühlt wie an diesem Morgen. Ich wartete nur noch auf Mélanie, die heute kam. Alles war möglich, es gab keine Grenzen, und das Leben war ein endloser Frühlingstag voller Verheißungen.
    Summend räumte ich die Wohnung auf. Ich stellte Orphée, die meine Unruhe spürte und die ganze Zeit erwartungsvoll um meine Beine strich, frisches Wasser und Futter hin, legte zwei Flaschen Chablis in den Kühlschrank und rannte die Treppe hinunter, um in der kleinen Blumenhandlung in der Rue Jacob einen Armvoll Rosen zu kaufen, die ich in der ganzen Wohnung verteilte.
    Ich überlegte, später einen Tisch im Petit Zinc zu reservieren, einem guten Restaurant, das schräg gegenüber der alten Kirche von Saint-Germain lag und nur einen Katzensprung von meiner Wohnung entfernt. Ich

Weitere Kostenlose Bücher