Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
Mal bei mir entschuldigte. »Die Tasten sind so klein, da tippe ich immer daneben«, kicherte sie.
    Ich sagte: »Kein Problem, wirklich«, und steckte mein Mobiltelefon wieder weg. Dann ging ich erneut nach draußen, um Ausschau zu halten. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob Mélanie und ich wirklich für diesen Mittwoch verabredet waren.
    Hatte sie gesagt, sie führe eine Woche nach Le Pouldu zu dieser Tante? Oder zwei? Aber ich hatte doch den Brief, ihr kleines Brieflein, das ich seit sieben Tagen mit mir herumtrug und dessen Zeilen ich auswendig wusste. Und da stand es unmissverständlich:
    … aber ich freue mich – auf nächsten Mittwoch, auf Dich – und auf alles, was noch passiert.
    Und der nächste Mittwoch – das war heute. Ohne Zweifel. Seufzend steckte ich den Brief wieder zurück, behielt die Hände in den Hosentaschen, trat an die Glastür und starrte nach draußen.
    Madame Clément, die im Kassenhäuschen saß und Zeitung las – es fiel mir nicht einmal auf, dass es der Parisien war, den sie verschämt nach unten sinken ließ, wann immer ich an dem Kassenhäuschen vorbeikam –, sah mir besorgt nach.
    »Alles in Ordnung, Monsieur Bonnard?«, fragte sie. »Sie kommen mir so nervös vor. Oder sind es die vielen Leute heute Abend?«
    Ich schüttelte den Kopf. Nein, es waren nicht die vielen Leute. Es war nur eine Frau, die mich nervös machte an diesem Abend. Eine Frau, die sonst jeden Mittwoch ganz selbstverständlich hier aufgetaucht war und jetzt ausblieb.
    Der Film war aus, ich öffnete die Tür des Kinosaals, und die Zuschauer drängten sich an mir vorbei auf die Straße, einige nahmen die Programmvorschau mit, die an der Kasse auslag, und das Lachen und Reden vermischte sich mit dem der neuen Besucher, die gekommen waren, um sich die Spätvorstellung anzuschauen.
    Das Foyer war fast zu klein für all die Menschen, die sich neugierig umsahen und an der Kasse anstanden, um eine Karte zu ergattern für einen Film aus den Siebzigern, dessen Motto es war, eine Geschichte zu erzählen, ohne zu lügen.
    Unter den Gästen der Abendvorstellung entdeckte ich den alten Professor. Er kam als Letzter, hielt seine Karte fest in der Hand und raunte mir beim Betreten des Kinosaals verblüfft zu, dass er es nicht für möglich gehalten hätte, dass Die Dinge des Lebens sich als derartiger Publikumsmagnet erweisen würden. »Ich finde das großartig«, meinte er und lächelte mir zu.
    Ich nickte gequält und schloss die Tür hinter ihm. In der Reihe Les Amours au Paradis hätte mir an diesem Abend eine einzige Zuschauerin völlig ausgereicht.
    Ich schaute bei François im Vorführraum vorbei und starrte durch das kleine Rechteck, das den Blick auf die Leinwand freigab. Als Michel Piccoli mit seinem Alfa Romeo Guilietta gegen den Baum raste und stumm im Gras lag und sich an sein Leben erinnerte, überfiel mich Panik.
    Was, wenn Mélanie einen Unfall gehabt hatte? Was, wenn sie in ihrer Aufregung über den Boulevard Saint-Germain gelaufen war, ohne nach rechts und links zu schauen, und ein Auto sie in die Luft geschleudert hatte? Ich verzog den Mund und kaute an meiner Unterlippe, während ich François, der wie immer über seinen Büchern saß, kurz zuwinkte. Dann drehte ich unter den wachsamen Blicken von Madame Clément wieder eine Runde im Foyer. Schließlich beschloss ich, in einem nahegelegenen Bistro einen café au lait trinken zu gehen. »Wenn eine junge Frau nach mir fragt, sagen Sie ihr bitte, dass sie unbedingt warten soll«, instruierte ich meine Kassiererin.
    »Sie meinen das hübsche Mädchen, mit dem Sie letzte Woche verabredet waren?«, fragte sie und zog die Augenbrauen hoch. Ich nickte, ohne eine weitere Erklärung abzugeben und trat auf die Straße.
    In wenigen Minuten war ich im Bistro, setzte mich auf einen der abgewetzten Holzstühle und trank hastig meinen café. Die Wärme, die durch meinen Körper rann, tat mir gut, aber meine Unruhe blieb.
    Als auch die Spätvorstellung aus war, wartete ich noch eine weitere Stunde im Cinéma Paradis. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit konnte es ja immer noch sein, dass Mélanie plötzlich auftauchte, mit leichtem Schritt und außer Atem, mit einem Lächeln, das um Entschuldigung bat, und einem Satz, der alles auflöste.
    »Machen Sie sich keinen Kopf, Monsieur Bonnard«, sagte Madame Clément, als sie sich ihren Mantel überzog, um zu gehen. »Es gibt bestimmt eine ganz einfache Erklärung.«
    Und die gab es vielleicht auch, mit Sicherheit sogar.

Weitere Kostenlose Bücher