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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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sein.«
    Er war Sherlock Holmes und ich war Dr. Watson, ein Zulieferer, der an dem großen Genie des Meisterdetektivs teilhaben durfte.
    An diesem Sonntag war ich nicht ins Kino gegangen.
    Madame Clément und François zeigten Verständnis. »Wir schaffen das gut allein, Monsieur Bonnard, machen Sie sich keinen Kopf«, hatte Madame Clément gesagt. Und so saß ich den ganzen Nachmittag in meiner Wohnung und redete ab und zu mit Orphée, die auf meinen Schreibtisch sprang und mich mit dem Kopf anstupste, sobald ich mit dem Schreiben innehielt und nachdenklich an meinem Stift kaute. Ich hatte Hunger, aber ich beschloss, meinen knurrenden Magen zu überhören. Essen konnte ich später.
    Nach eineinhalb Stunden hatte ich alles zusammengetragen, was mir von jenem Mittwochabend und überhaupt von Mélanie im Gedächtnis geblieben war. Ich bemühte mich, sehr genau zu sein, was mir nicht besonders schwer fiel. An einige ihrer Sätze konnte ich mich fast wörtlich erinnern. An ihr reizendes Gesicht sowieso.
    Der Stuhl knarrte leise, als ich mich zurücklehnte und die Liste mit der Überschrift »Was ich über Mélanie weiß« noch einmal durchlas.
    Was ich über Mélanie weiß
    1. Aussehen: mittelgroß, schlank, aufrechter Gang, große braune Augen, dunkelblonde Haare. Ein besonderes Blond, das an ein glänzendes Karamellbonbon denken lässt. Oder an Krokant.
    2. Trägt oft (immer?) karmesinroten, knielangen, altmodisch geschnittenen Mantel
    3. Trägt goldenen Ring mit ziselierten Rosen am Ringfinger
    4. Kommt immer mittwochs in die Spätvorstellung
    5. Immer Reihe 17
    6. Lieblingsfilm: Cyrano de Bergerac
    7. Hat eine Tante Lucille (Lucie? Luce?), die in Le Pouldu wohnt
    8. War dort eine Woche im Urlaub, bevor sie verschwunden ist
    9. Wohnt offenbar nicht in der Rue de Bourgogne (oder doch?), wohnt auf jeden Fall in Paris (kommt auch aus Paris? Bretagne?)
    10. Keine Familie in Paris, war nie verheiratet (sagt sie jedenfalls), lebt allein (ganz allein!)
    11. Kein Haustier, aber mag Katzen
    12. Letzter Freund hat sie betrogen (Jadeohrring!), trifft immer die falschen Männer (»Ich habe ein Talent dafür, mich in die falschen Männer zu verlieben.«)
    13. Mutter verstorben (von der ist der Rosenring), traurige Erinnerungen. Familie? Männer?
    14. Freundin arbeitet in einer Hotelbar
    15. Sie arbeitet in einem Antiquitätenladen. Chef liegt mit Lungenentzündung im Krankenhaus (starker Raucher), es gibt noch eine weitere Kollegin.
    16. Sie arbeitet bis 19.00 Uhr, donnerstags auch länger
    17. Auf den ersten Blick schüchtern, aber auch gewitzt
    18. Mag alte Dinge
    19. Lieblingsbrücke: Pont Alexandre (»Wissen Sie, wie schön es ist, am frühen Abend über den Pont Alexandre zu gehen, wenn die Lichter der Stadt anfangen, sich im Wasser zu spiegeln, und der Himmel ganz lavendelfarben wird? Ich bleibe manchmal einen Moment stehen.«) Daraus folgt: Wohnt/Arbeitet in der Nähe der Brücke? Falls nicht doch in der Rue de Bourgogne.
    20. Geht ins Kino, wenn sie die Liebe sucht
    Ich lächelte zufrieden. »Das ist doch gar nicht so schlecht für den Anfang«, murmelte ich. Orphée sah mich mit ihrem unergründlichen kleinen Katzengesicht an und ich streichelte ihr über das getigerte Fell.
    Ich hielt ihr Schnurren für Zustimmung, doch ein gewisser Professor für Astrophysik, den ich anschließend aufsuchte, war nicht so leicht zu überzeugen.
    »Hmm«, machte Robert und überflog mit zusammengekniffenen Augen meine Liste. »Das ist alles?«
    »Immerhin zwanzig Punkte«, sagte ich.
    Robert schnalzte unwillig mit der Zunge. »Geht ins Kino, wenn sie die Liebe sucht?«, las er vor. »Wie soll uns so was denn weiterbringen?« Er schüttelte seufzend den Kopf. »Ich fürchte, auch die Tatsache, dass ihre Haarfarbe an Krokant erinnert, ist keine echte Spur.« Er las weiter. »Kommt immer mittwochs in die Spätvorstellung.« Er sah mich an. »Kam, meinst du wohl. Tsss. Tsss. Tsss. Immer in Reihe siebzehn. – Sollen wir da jetzt unterm Stuhl nachschauen, oder was?«
    »Du hast gesagt, ich soll alles aufschreiben, was mir einfällt«, verteidigte ich mich. »Alles. Und das habe ich eben getan. Wenn du dich jetzt darüber lustig machen willst, bitte, aber das wird uns erst recht nicht weiterbringen.«
    »Schon gut, schon gut«, sagte Robert. »Du musst nicht gleich sauer sein. Ich tue, was ich kann.« Er runzelte die Stirn und starrte konzentriert auf das Papier.
    »Le Pouldu? Wo ist das denn?«
    »In der Bretagne. Da hat sie eine Tante. Meinst

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