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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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folgen.
    Etwa eine Stunde nachdem ich das Haus in der Rue de Bourgogne leichten Herzens verlassen hatte, kam eine Person an der alten Kastanie vorbei, die mit Adressat und Absender etwas anzufangen gewusst hätte. Hätte ich das Brieflein an die alte Kastanie geheftet, wäre es möglicherweise bereits kurze Zeit später in die Hände der Frau gelangt, für die es bestimmt war. Ich hätte mir viele Umwege erspart.
    Möglicherweise.

17
    In dem Moment, als das Telefon klingelte, wusste ich, dass sie es war. Eigentlich wollte ich an diesem Vormittag eine neue Vorauswahl für die nächsten Filme der Amours-au-Paradis-Spätvorstellungen treffen. Zu diesem Zweck war ich schon früh ins Kino gekommen. Ich sah mir gerade nach langer Zeit mal wieder Aus dem Tagebuch einer männlichen Jungfrau mit Cathérine Deneuve an, als die Filmmusik aus Der dritte Mann ertönte, die ich mir als Klingelton geladen hatte.
    Ich riss das Telefon von dem Tischchen im Vorführraum und warf dabei fast meine Cola um.
    Es rauschte in der Leitung. »Hier ist Mélanie.«
    Mein Herz klopfte wie verrückt.
    »Mélanie! Endlich«, sagte ich heiser. »Ach, du!« Meine Güte, war ich froh, ihre Stimme zu hören.
    »Spreche ich da mit … Alain?« Die Stimme am anderen Ende klang zögernd. Es war eine melodische Frauenstimme, sie kam mir seltsam fremd vor, doch das mochte an der Verbindung liegen.
    »Ja!«, rief ich. »Ja, natürlich! Hier ist Alain. Hast du meinen Brief bekommen? Meine Güte, bin ich froh, dass du anrufst. Was ist passiert?«
    Ein langes Schweigen folgte, und ich erschrak. Es musste etwas Schlimmes passiert sein. Vielleicht war die alte Tante gestorben?
    »Mélanie?«, fragte ich noch einmal. »Du klingst so komisch, was ist denn nur? Bist du zu Hause? Soll ich kommen?«
    »Ach«, seufzte die Stimme. »Ich habe mir schon gedacht, dass es ein Missverständnis ist.«
    Ich lauschte verwirrt. Ein Missverständnis? Was sollte das bedeuten? »Wie jetzt?«, fragte ich.
    »Ich bin nicht Mélanie«, sagte die Stimme.
    Was redete sie da? Sie war Mélanie und sie war nicht Mélanie?
    Ich presste den Hörer an mein Ohr und hatte das deutliche Gefühl, dass unser Telefonat in eine völlig falsche Richtung lief.
    »Ich meine, ich bin schon Mélanie – Mélanie Dupont. Aber wir kennen uns nicht.«
    »Kennen uns nicht?«, echote ich fassungslos.
    »Ich habe heute Früh Ihren Brief gefunden«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, Alain, aber ich fürchte, Sie haben mich mit einer anderen Mélanie verwechselt.«
    Mein Herz sank mit jedem ihrer Worte. Allmählich begriff ich, dass das Fremde in ihrer Stimme nicht an unserer Verbindung lag. Es war eine andere Stimme, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben.
    »Aber, aber …«, stotterte ich. »Du … ich meine, Sie … Sie wohnen doch in der Rue de Bourgogne im Rückgebäude, oder?«
    »Ja«, sagte die andere Mélanie. »Das ist richtig. Aber wir waren nicht verabredet. Und wir haben uns auch nie unter der alten Kastanie geküsst. Ich kenne Sie nicht, Alain, und ich habe mir gleich gedacht, dass der Brief nicht für mich bestimmt ist. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben.«
    »Oh«, sagte ich leise. »Das ist … das ist … sehr bedauerlich.«
    »Ja«, sagte sie. »Das finde ich auch. Ich habe schon lange nicht mehr einen so schönen Brief bekommen. Auch wenn er gar nicht an mich gerichtet war.«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich wieder zu fangen. Meine Gedanken fingen an sich zu überschlagen und ich versuchte eine gewisse Logik in dieses ganze Durcheinander zu bringen.
    »Aber …«, sagte ich dann, »aber es muss eine Mélanie geben. Ich habe sie doch selbst nach Hause begleitet – bis in den Innenhof. Wir haben uns Gute Nacht gesagt. Sie ist in das Rückgebäude gegangen, ich hab es mit eigenen Augen gesehen. Ich habe das Licht gesehen, das anging und wieder ausging. Ich meine, ich bin doch nicht verrückt«, schloss ich ein wenig ratlos.
    Die andere Mélanie schwieg. Wahrscheinlich hielt sie mich für überspannt. Ich kam mir selbst schon ein wenig überspannt vor.
    »Das ist in der Tat merkwürdig«, sagte sie schließlich.
    »Wissen Sie, ob es noch eine andere Mélanie im Haus gibt?«
    »Nein«, sagte sie. »Tut mir wirklich leid.«
    Ich nickte ein paar Mal und presste enttäuscht die Lippen aufeinander. »Tja …«, sagte ich, »tja, dann entschuldigen Sie bitte vielmals die Verwechslung, Madame Dupont. Und danke jedenfalls, dass Sie sofort angerufen haben.«
    »Kein Problem,

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