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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Alain«, sagte die andere Mélanie. »Sagen Sie doch einfach Mélanie zu mir.«
    Von den nächsten Tagen weiß ich nur noch, dass ich wie durch Watte ging. Die Geräusche der Welt traten zurück und ich bewegte mich tastend und seltsam verunsichert durch meinen eigenen kleinen Film, dessen Ende sich im Ungewissen verlor. Ich wusste nicht, was ich getan hatte, dass mir das Schicksal einen solchen Streich spielte. Noch drei weitere Male war ich in der Rue de Bourgogne gewesen, um Mélanie aufzuspüren. Ich kam zu allen möglichen Tageszeiten vorbei, um meine Chancen zu vergrößern, aber ich kam vergeblich. Ich war Madame Bonnet wieder begegnet, ich hatte den griesgrämigen Monsieur Pennec gesehen mit seiner genervten Ehefrau, einer klapprigen, extrem gepflegten Blondine mit auftoupiertem Haar, die von oben bis unten mit Goldschmuck behängt war und an die Weihnachtsdekoration im Printemps erinnerte. Selbst Madame Dupont, die andere Mélanie, eine reizende Enddreißigerin mit aschblondem Haar und melancholischem Blick, hatte ich an einem dieser ergebnislosen Nachmittage vor dem Briefkasten angetroffen und mich kurz vorgestellt. Sie hatte mich begrüßt wie einen alten Bekannten und am Ende hatte sie sich herzlich verabschiedet mit dem Versprechen, bald einmal ins Cinéma Paradis zu kommen.
    Mademoiselle Leblanc, die Nachtschwärmerin, die Männerherzen brach, war wie immer ausgeflogen. Ihr Nachbar Monsieur Nakamura war mit Geschenken beladen zu einem Familienfest nach Tokio aufgebrochen – dies erfuhr ich selbstverständlich von Madame Bonnet. Der vornehme Monsieur Montabon verließ seine Wohnung offenbar sehr selten – jedenfalls sah ich ihn nicht.
    Mittlerweile hatte ich auch bei den übrigen Nachbarn geklingelt, selbst bei denen aus dem Vordergebäude, aber niemand hatte mir helfen können. Und dann hatte ich auch den letzten Namen auf meiner Liste durchgestrichen.
    Ich trat auf die Straße und hatte das Gefühl, verrückt zu werden, so wie der alte Mann es offensichtlich schon war, der mir bei diesem letzten Besuch in der Rue de Bourgogne wieder in seinen Pantoffeln entgegenschlurfte. Er ging gebeugt, hielt einen Moment an, als er mich sah, und verzog seinen Mund zu einem bösen kleinen Lächeln. »Dilettanten. Alles Dilettanten«, sagte er und spuckte kurz aus.
    Man wusste nicht genau, gegen wen sein Zorn sich richtete. Was meine Person anging, hatte er vollkommen Recht. Noch nie hatte ich mich so unfähig gefühlt. Mit bitteren Gedanken ging ich nach Hause.
    Es war um die Mittagszeit, als ich gesenkten Hauptes die Rue de Grenelle wieder zurückging. Die meisten Geschäfte machten um diese Uhrzeit ihre Mittagspause und in der Straße war es ruhig.
    Missmutig trat ich eine Cola-Dose aus dem Weg, die scheppernd über den Bürgersteig rollte und schließlich vor einem Laden liegen blieb, dessen Rollladen heruntergezogen war.
    À la recherche du temps perdu stand auf dem weißen Emailleschild, und es schien mir wie ein höhnischer Fingerzeig des Himmels. Ich ließ die Dose liegen und lachte bitter auf. In der Tat – ich war auf der Suche nach ein paar glückseligen Stunden, die unwiederbringlich verloren schienen.
    In der darauffolgenden Woche konnte es passieren, dass ich einem roten Mantel oder einem dunkelblonden Haarschopf hinterherjagte, der irgendwo auf der Straße auftauchte. Einmal sah ich vor dem Bon Marché eine Frau mit rotem Mantel und karamellbraunem Haar in den Bus einsteigen und war mir sicher, Mélanie gesehen zu haben.
    Keuchend rannte ich ein paar Meter neben dem anfahrenden Bus her und rief und machte Zeichen, bis mein Herz stach und ich mir an die Brust fasste wie Doktor Schiwago in jener zutiefst tragischen Szene, in der er seine Lara hinter der Scheibe eines Busses entdeckt und auf offener Straße zusammenbricht, als diese ihn nicht bemerkt.
    Anders als dem unglücklichen Schiwago gelang es mir sogar, Mélanies Aufmerksamkeit zu erzwingen. In einem letzten Kraftakt sprang ich hoch und hämmerte gegen die Scheibe, doch als die Frau in dem roten Mantel sich zu mir umdrehte, sah ich in ein erstauntes Gesicht.
    Nach jedem Rückschlag holte ich trotzig Mélanies kleines Brieflein hervor und las es. Danach ging es mir besser. Doch das war Augenwischerei. Die Frau im roten Mantel blieb spurlos verschwunden.
    Schließlich rief ich Robert an. »Sie wohnt nicht in dem Haus«, erklärte ich kleinlaut und erzählte ihm von meinen Nachforschungen. »Keiner dort kennt eine Frau namens Mélanie.«
    Mein

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