Eines Abends in Paris
an, dass zehn Jahre USA bei der schönen Schauspielerin Erinnerungen erzeugt hatten, die nicht nur zärtlich, sondern auch in hohem Maße sentimental waren.
»Wir wollen uns das Musée Montmartre anschauen und anschließend nehmen wir ein kleines Imbisslein im Le Consulat – da hat auch schon Picasso gemalt.«
Ich grinste und war mir nicht sicher, ob das stimmte, aber das Consulat kannte ich gut. Es lag etwas erhöht, im spitzen Winkel zweier kopfsteingepflasterter Gassen und hatte eine winzige Terrasse, auf der ich auch schon gesessen und Zwiebelsuppe gegessen hatte. Die allerdings war wirklich gut gewesen.
»Eine gute Wahl«, sagte ich. »Essen Sie die Zwiebelsuppe!«
»Und Sie kommen wirklich nicht mit?«
»Nein, wirklich nicht.«
Allan Wood war kein Mensch, der insistierte. Dazu war er viel zu klug. »Also gut, Allän. Dann kommen Sie heute Abend mit mir in die Hemingway-Bar und wir nehmen zusammen einen Erdbeer-Daiquiri, okay?«
»Okay«, sagte ich.
Und so kam es, dass ich am Sonntagabend bei leiser Jazzmusik mit Allan Wood in der Hemingway-Bar saß und sich unter Angelzeug und Jagdgewehren plötzlich ein vertrauliches Gespräch unter Männern entspann.
Zunächst hatten wir noch über ein paar organisatorische Dinge wegen der Dreharbeiten geredet, doch dann beugte sich Allan unvermittelt zu mir und sah mich eindringlich an.
»You are so blue, Allän«, sagte er. »Was ist los mit Sie – Sie wirken irgendwie gedruckt.« Er gestikulierte suchend mit den Händen in der Luft. »Heißt es gedruckt?«
»Bedrückt«, sagte ich und nahm verlegen lächelnd einen großen Schluck von meinem Daiquiri. Aber es änderte nichts daran. Ich war bedrückt.
»Ach, was«, sagte ich und zuckte die Achseln. »Ich bin nur ein bisschen müde.«
»Nein, nein, Sie sind bedruckt, Allän, ich sehe so etwas.« Der Regisseur schüttelte den Kopf. »Als ich Sie letztes Mal erlebt habe bei unserem lustigen Essen im Ritz, da waren Sie so frohlich und glucklich. Und nun sind Sie ganz verändert. Ich fuhle mir sehr familiär mit Ihnen, Allän, wirklich, ich mag Sie.« Er schenkte mir einen besorgten Blick aus seinen braunen Augen. »Wollen Sie mir nicht sagen, was los ist? Vielleicht kann ich Sie helfen?«
»Das glaube ich kaum. Die Sache ist ziemlich kompliziert.«
»Lassen Sie mir raten. Es geht um eine Frau.«
Ich nickte stumm.
»Um eine sehr schöne Frau?«
Ich seufzte zustimmend.
»Sie sind verliebt?«
»Mich hat’s ziemlich erwischt, ja.«
»Aber Ihre Liebe wird nicht geantwortet.«
»Keine Ahnung.« Ich schnippte meine Erdbeere vom Rand des Glases und sah zu, wie sie mit einem leisen Platschen in den dritten Daiquiri dieses Abends fiel. »Erst dachte ich, sie würde meine Gefühle erwidern. Alles schien perfekt. Einmalig. So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt.« Ich lachte bitter auf. »Einmalig war es dann auch wirklich. Danach ist sie nicht zu unserer Verabredung gekommen und hat sich auch sonst nicht mehr gemeldet. Manchmal denke ich, ich habe mir das alles nur eingebildet. Es ist, als ob es sie nie gegeben hätte, verstehen Sie?«
Er sah mich mitfühlend an. »Ja«, sagte er schlicht. »Ich verstehe genau, was Sie meinen.« Er seufzte. »Oh, boy, ich habe das schon befürchtet. Das ist so typisch. Sie kann so bezaubernd sein. So mitreißend. Und dann ändert sie mit einem Mal ihre Meinung und lässt einen fallen, einfach so.« Er schnippte mit den Fingern. »Mit Carl hat sie es genauso gemacht.« Bekümmert nippte Allan Wood an seinem Getränk.
»Carl?«, fragte ich. »Wer ist Carl?«
Carl Sussman war der Kameramann. Er hatte einen schwarzen Vollbart, brasilianische Wurzeln und eine kurze und heftige Affäre mit Solène Avril, bevor diese sich wieder von ihm ab- und einem texanischen Großgrundbesitzer namens Ted Parker zuwandte. Carl war, laut Allan Wood, ein Bild von einem Mann. Doch wenn es um die schöne Schauspielerin ging, war er weich wie Wachs. Er litt immer noch. Und machte sich jetzt, da Ted Parker auf seiner Ranch in Texas weilte, wieder neue Hoffnungen.
Gebannt und leicht benebelt vom Alkohol lauschte ich Allan Woods wortreichen Ausführungen, die mir Trost spenden sollten. »Sie dürfen das um Gottes willen nicht persönlich nehmen, Allän«, schloss er seine Rede. »Solène ist eine sehr verführerische Frau. Und das weiß sie auch. Sie ist, wie sie ist. Aber sie mag Sie, Allän. Das weiß ich. Sie war jedenfalls ganz enttäuscht, dass Sie heute nicht mitgekommen sind.« Er sah sich in der
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