Eines Abends in Paris
Bar um. »Tja«, sagte er. »So was! Hier hat alles angefangen vor ein paar Wochen. Oh, Mann.« Er schüttelte den Kopf. »Tut mir wirklich leid, alter Junge.«
Benommen sah ich ihn an. Was redete er da?
»Hören Sie, Allan«, sagte ich. »Ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden … Solène und ich …«
»Keine Angst«, sagte er. »Ich schweige wie ein Grab. Solène hat keine Ahnung, dass ich es weiß.«
»Aber es geht gar nicht um Solène«, sagte ich. »Ich habe mich in Mélanie verliebt.«
Allan Woods Augen wurden groß.
»Mélanie?«, sagte er. »Wer ist Mélanie?«
Ich erzählte ihm alles. Von Anfang an. Der Regisseur zupfte immer wieder an seiner Cordhose herum und unterbrach mich mit kleinen Zwischenrufen. »Also das … das ist ja wirklich komisch! Und ich dachte, Sie hätten sich in Solène verliebt«, sagte er. Und dann: »Was für eine Geschichte!« Als ich schließlich am Ende von meiner Liste berichtete und von der ergebnislosen Suche nach einem kleinen Antiquitätenladen, sah er mich voller Mitgefühl an.
»Oh, boy«, sagte er. »Das ist wirklich kompliziert.« Er winkte der Kellnerin und bestellte zwei weitere Daiquiris. »Was wollen Sie jetzt tun?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.« Ich ließ mich in das weiche Ledersofa zurücksinken und starrte vor mich hin.
Auch Allan Wood schwieg. So saßen wir eine Weile nebeneinander auf dem Sofa. Zwei Männer in einer Bar, die schweigend tranken, ihren Gedanken nachhingen und sich ohne ein Wort verstanden.
Hemingway hätte es sicher gefallen.
»Haben Sie schon einmal daran gedenkt, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen den Dreharbeiten in Ihrem Kino und dem Verschwinden von diese Frau?«, fragte Allan Wood plötzlich in die letzten Klänge von Ella Fitzgeralds Springfever hinein.
»Wie?« Ich schreckte aus dem wohligen Gleichmut auf, der mich erfasst hatte.
»Na ja, ich meine, ist das nicht alles sehr seltsam? Wir tauchen auf … und kurze Zeit später ist diese Frau spurlos verschwunden. Vielleicht gibt es da eine Verbindung?«
»Hmm«, machte ich. »Was sollte das für eine Verbindung sein? Das Glück lächelt einem kleinen Kinobesitzer und dafür verliert er seine große Liebe? Ist es das? Glück im Spiel und Pech in der Liebe?« Ich zuckte die Achseln. »Werde ich jetzt von irgendwelchen schicksalhaften Mächten dafür bestraft, dass es bei mir auch mal in der Kasse klingelt?«
»Nein, nein, so meine ich das nicht. Keine schicksalhaften Mächte. Ich rede hier nicht von ausgleichender Gerechtigkeit oder Nemesis.« Allan Wood überlegte, wie er es mir erklären sollte. »Was ich sagen will ist: Könnte es vielleicht einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Sachen geben? Irgendeine Verbindung. Oder halten Sie das alles für Zufall?«
»Hmm«, machte ich wieder. »So habe ich das noch nie betrachtet. Ich meine, es passieren ja pausenlos Dinge zeitgleich – schöne Dinge und schreckliche Dinge – und sie haben in der Regel nicht das Geringste miteinander zu tun. So funktioniert doch unsere Welt.« Ich redete schon wie mein Freund Robert. »Jemand hat Geburtstag … und sein Vater stirbt am selben Tag. Ein Auto wird geklaut … und am selben Tag gewinnt der Besitzer im Lotto. Ein amerikanischer Regisseur kommt nach Paris, um in einem kleinen Kino zu drehen … und ein Mädchen namens Mélanie, in das sich der Kinobesitzer gerade Hals über Kopf verliebt hat, verschwindet. Spurlos.«
Ich beugte mich nach vorn und fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare. »Mag sein, dass es da einen Zusammenhang gibt, aber ich sehe ihn nicht.« Ich lächelte müde und machte dann einen albernen Witz. »Es sei denn, der Regisseur ist die verloren geglaubte große Liebe dieser jungen Frau und die beiden haben sich wiedergefunden und wissen jetzt nicht, wie sie es mir sagen sollen.« Ich lachte. »Allerdings würde ich den Altersunterschied doch für bedenklich halten.«
Allan Wood sah mich lange schweigend an und ich fürchtete schon, ihn mit meinen locker hingeworfenen Worten beleidigt zu haben.
»Und wenn der Regisseur ihr Vater wäre – was wäre dann?«
Zunächst hielt ich es für einen Scherz. Ich glaubte, Allan Wood sei in Fabulierstimmung. Bei kreativen Menschen war es ja nicht ungewöhnlich, dass die Phantasie mit ihnen durchging. Aber wie sagte Sir Arthur Conan Doyle einst so schön: »Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das, was übrig bleibt, die Wahrheit, wie unwahrscheinlich sie auch
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