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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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mitnehmen!« Man sah ihm an, dass er kurz davor war, von seinem Platz aufzuspringen und dem ignoranten Geschöpf, dem es offensichtlich schnuppe war, dass ein Weltstar an seinem Tisch saß, den Teller samt Steak hinterherzuwerfen.
    Solène legte ihre Hand auf seinen Arm. »Nein, lass Carl – es ist so ein schöner Abend.«
    Und das war es in der Tat, auch wenn das Essen mittelprächtig und die Bedienung eine Katastrophe war. Wir alle hatten viel getrunken und viel gelacht und es war trotz allem ein unglaubliches Privileg, hier oben zu sitzen und über dem nächtlichen Paris zu schweben.
    Das Dessert war köstlich. Unerwarteterweise. Nachdem die Himbeeren und Erdbeeren, die Crèmes brulées und Pistazienmacarons serviert und verspeist worden waren, entschuldigte ich mich für einen Moment und schlenderte an den Rand der Terrasse, um eine Zigarette zu rauchen. Ich lehnte mich über das Geländer, schnippte die Asche herunter und blickte auf die funkelnde Stadt.
    »Es ist zauberhaft, nicht wahr?«
    Auch ohne mich umzudrehen, wusste ich, dass es Solène war. Sie war mir leise gefolgt und hinter mich getreten. Ein Hauch von Heliotrop erfüllte die Luft, und ich spürte die Wärme, die von ihr abstrahlte, und auch ihren Wunsch, diesen stillen Moment mit mir zu teilen. So standen wir eine Weile schweigend an dem Metallgeländer wie an der Reling eines Schiffes und nahmen das Bild der glitzernden Stadt in uns auf, und es sah so aus, als sei der Himmel mit all seinen Sternen vor unsere Füße gestürzt.
    »Manchmal sehne ich mich nach dem, was ich einmal war«, sagte Solène unvermittelt.
    »Was warst du denn?«, sagte ich und drehte mich zu ihr um.
    Ihre Augen waren tiefblau, als sie den Blick über Paris schweifen ließ. »So … selbstvergessen. Absichtslos. Auf einfache Weise glücklich. Als Kind war ich glücklich, ohne es sein zu wollen. Ich meine, ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich glücklich bin oder dass ich glücklich sein will – ich war es einfach.«
    »Und heute?«
    Sie schwieg. »Manchmal ja, oft auch nicht. Wenn man älter wird, begreift man irgendwann, dass das sogenannte Glück eigentlich nur aus einzelnen schönen Momenten besteht. Jene besonderen Augenblicke, an die man sich später erinnert.« Sie lächelte versonnen. »Das hier ist so ein Moment. Ich fühle mich gerade so überwältigt von dem Gefühl, zu Hause zu sein.«
    Ich nickte stumm. In mir löste der Blick über die Stadt eher eine unbestimmte Sehnsucht aus. Es war, als ob es am Ende des nächtlichen Horizonts etwas gäbe, das ich schrecklich vermisste, ohne es genau benennen zu können.
    »Und du, bist du glücklich?«, fragte Solène.
    »Ich war auf jeden Fall sehr nah dran.«
    Ich wollte nicht, dass es so traurig klang, wirklich nicht, aber das tat es dann wohl doch, denn Solène schlang plötzlich beide Arme um mich und drückte mich ganz fest.
    »Es tut mir so leid, Alain«, sagte sie leise. »Ich wünschte, du hättest sie gefunden. Wenn ich doch nur etwas für dich tun könnte. Ich weiß, es ist nicht dasselbe, aber ich würde gerne für dich da sein. Ich mag dich sehr.«
    Wir blieben einen Moment zusammen stehen, dann löste ich mich sanft aus ihrer Umarmung.
    »Danke, Solène. Ich mag dich auch sehr.« Ich seufzte. »Dummerweise hat man auf die wichtigen Dinge im Leben oft keinen Einfluss.«
    Sie lächelte. »Manchmal schon.«
    Wir sahen uns einen Moment an und überdachten unsere Optionen. Ich lehnte mit dem Rücken an dem Eisengeländer und hatte mit einem Mal das Gefühl, dass jemand uns beobachtete.
    Irritiert blickte ich auf und sah zu unserem Tisch hinüber. Aber dort waren alle im Gespräch, keiner schien uns zu vermissen, nicht einmal Carl, der auf Solènes Platz gerutscht war und sich jetzt mit Allan Woods Tochter unterhielt.
    Seltsam berührt schüttelte ich den Kopf. »Komm, lass uns wieder zu den anderen gehen«, sagte ich und warf noch einmal einen prüfenden Blick über Solènes Schulter.
    Und dann sah ich sie.
    Am anderen Ende der Dachterrasse, gleich neben dem Eingang stand eine junge Frau in einem weißen sommerlichen Kleid mit bunten Streublümchen. Sie stand ganz still und aufrecht und blickte unverwandt zu uns herüber.
    Und die Farbe ihrer schulterlangen Haare erinnerte an Karamell.

23
    Es war Mélanie. Daran gab es keinen Zweifel. Ich brauchte keine drei Sekunden, bis ich es realisierte. Unsere Blicke trafen sich über die lachenden und schwatzenden Gäste hinweg, und es war, als hätte plötzlich jemand

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