Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
Vom Netzwerk:
den Ton abgestellt.
    Alles, was sich danach ereignete, geschah unglaublich schnell, und doch hatte ich das Gefühl, in einem Slow-Motion-Film festzuhängen.
    Die Frau in dem weißen Kleid sah, dass ich sie bemerkt hatte, sie drehte sich zur Seite und strebte mit raschen Schritten dem Ausgang zu. Ich sagte »Mon Dieu! «, schob die überraschte Solène zur Seite und rannte so schnell ich konnte auf die entschwindende weiße Gestalt am anderen Ende der Dachterrasse zu. Ich umrundete Tische, wich zwei Kellnerinnen aus, die mich empört anstarrten, ich rempelte eine alte Dame an, die aufkreischte und hinter mir herschimpfte, ich warf ein Tablett um, hob entschuldigend die Hand, hörte, wie hinter mir Glas zerbrach, ich verfing mich in den Henkeln einer Handtasche, die jemand neben seinen Stuhl gelegt hatte, geriet ins Stolpern, das Hemd rutschte mir aus der Hose, ich rappelte mich wieder auf, lief weiter, den Ausgang wie hypnotisiert im Blick.
    »Mélanie!«, rief ich, als ich mich endlich zum Ausgang durchgekämpft hatte, aus dem Restaurant hinausstürzte und sah, wie die junge Frau im Sommerkleid mit wehenden Haaren eine der Rolltreppen in den gläsernen Röhren hinunterrannte.
    »Mélanie, warte!« Ich winkte ihr aufgeregt hinterher, aber sie sah sich nicht um. Sie lief vor mir weg, es war unfassbar, und ich fragte mich einen kurzen Augenblick, ob sie verrückt geworden war, dann beschloss ich, dass es mir egal war. Ich musste sie aufhalten. Um jeden Preis.
    Und so stürzte auch ich die Rolltreppen hinunter, die durch die fünf Etagen des Centre Pompidou führen, drängte mich an anderen Gästen vorbei, bei jeder Biegung sah ich die weiße Gestalt unter mir aufscheinen, dann hörte ich eilige Schritte in der Eingangshalle, die nach draußen eilten.
    Auf dem Platz vor dem Beaubourg hatten sich ein paar Leute versammelt, die einem Feuerschlucker zusahen. Weiter hinten saß ein Zigeuner auf einem Klapphocker. Er spielte einen traurigen Tango auf seinem Bandoneon und sang etwas von einer Maria. Einige Pärchen schlenderten an mir vorbei.
    Ich hielt einen Augenblick inne und sah mich suchend um. Das Herz schlug mir bis zum Halse. Mélanie war nirgends zu sehen.
    Ich fluchte leise, lief weiter vor und spähte in alle Richtungen.
    In der Ferne rannte eine weiße Gestalt die Rue Beaubourg in Richtung Métro-Station Rambuteau entlang. Das musste sie sein!
    Ich lief so schnell ich konnte, ich holte auf, es trennten uns noch hundert Meter. Ich sah, wie sie in der Métro-Station verschwand, kramte ein Billet hervor und schoss wenige Sekunden später durch den Eingang und stürzte die Treppen hinunter.
    Ein abgerissener Typ mit Gitarre kam mir entgegen und machte erstaunt für mich Platz. »He, he!«, sagte er.
    »Eine Frau!«, japste ich. »Im weißen Kleid.«
    Er zuckte gleichmütig die Achseln. »Da lang, glaub ich.« Er zeigte vage auf einen der Schächte, die weiter nach unten führten.
    »Danke!«, stieß ich hervor und stürzte mich in die Tiefen der Pariser Métro. Ein warmer, drückender Geruch, der direkt aus dem Erdinnern zu kommen schien und nach Müll und Geröll roch, schlug mir entgegen.
    Ich hastete auf das Gleis, auf dem um diese Uhrzeit nur einige wenige Gestalten standen und warteten. Ein Punkerpärchen mit grüngefärbtem Haar knutschte ausgiebig auf einer Bank herum.
    In dem Moment, als der heiße Luftzug die Ankunft des nächsten Zuges ankündigte, entdeckte ich Mélanie.
    Sie stand zwischen anderen Wartenden auf dem gegenüberliegenden Gleis unter einem riesigen Werbeplakat für Shampoo und sah mich einfach nur an.
    »Mélanie! Jetzt warte doch. Was soll denn das, verdammt noch mal?«, schrie ich hinüber, und ein paar Leute blickten kurz auf und starrten dann wieder stumpfsinnig vor sich hin. Lautstarke Auseinandersetzungen unter Liebenden waren auf den Bahnsteigen der Métro offenbar an der Tagesordnung.
    »Bleib, wo du bist, ich komm jetzt rüber!«, stieß ich hervor, dann wurden unsere Blicke durch die einfahrende Métro an meinem Gleis getrennt. Ich merkte, wie sich Wut in meine Verzweiflung mischte.
    Was war los mit dieser Frau? Warum reagierte sie so seltsam? Oder hatte Mélanie eine Doppelgängerin, die sich von einem Maniac verfolgt fühlte? Egal, in wenigen Sekunden würde sich alles aufklären. Ich rannte die Treppen wieder hoch, um auf das andere Gleis zu gelangen. Als ich oben angekommen war, bemerkte ich erneut diese Welle aus warmer Luft, die den Schacht hochzog. Auch auf dem

Weitere Kostenlose Bücher