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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Er drehte sich noch einmal um.
    »Wie sagt dieser nette indische junge Mann aus dem Best Exotic Marigold Hotel noch? Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es auch noch nicht das Ende.« Er zwinkerte mir vielsagend zu, und ich schloss die Tür.
    Das war ein bemerkenswerter Satz. In Indien, wo man an die Wiedergeburt glaubte, besaß er eine ganz eigene Gültigkeit. Doch hier im Westen musste man auch mit einem schlechten Ende leben.
    Dennoch sollte Robert Recht behalten. Das Ende der Geschichte war noch nicht erreicht. Noch lange nicht.
    Als es wenige Minuten später an meiner Tür klingelte, dachte ich, mein Freund wäre noch einmal zurückgekommen, weil er etwas vergessen hatte. Leise fluchend stand ich auf und ging in meinem gestreiften Pyjama an die Tür. Dabei stolperte ich fast über Orphée, die sich stets neugierig vor der Wohnungstür herumdrückte, sobald die Türglocke läutete. Mit einem vorwurfsvollen Miauen sprang sie zur Seite. Ich scheuchte sie zurück und machte die Tür auf.
    Doch es war nicht Robert. Dieser Tag war offensichtlich der Tag der überraschten Gesichter. Diesmal war ich an der Reihe. Vor mir stand ein Mann, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Er schob seinen Hut ein bisschen zurück und da erst erkannte ich den Marlboro-Mann wieder, der einsam an der Laterne vor dem La Palette gelehnt hatte.
    »Sorry«, sagte er in einem breiten Amerikanisch. »Sind Sie Alain Bonnard?« Er hatte ein gutmütiges wettergegerbtes Gesicht und kleine wachsame Augen.
    Ich nickte verwundert. Und bevor ich noch Zeit hatte, etwas zu erwidern, hatte ich schon seine Faust im Gesicht.
    Ich ging sofort zu Boden. Wieder kreiste die Welt um mich herum, diesmal waren es tanzende Sterne, die ich sah. Merkwürdigerweise fühlte ich keinen Schmerz, nur diesen angenehmen, kleinen Schwindel, der mich davon abhielt aufzustehen.
    Der Mann mit dem Hut blickte in aller Seelenruhe auf mich herunter. »Lass die Finger von Solène, Schneckenfresser«, sagte er.
    Ich hörte, wie die Tür krachend ins Schloss fiel. Und dann hörte ich nichts mehr.
    Als ich wieder zu mir kam, sah ich direkt in zwei grüne Augen, die mich durchdringend anstarrten. Ich spürte einen leichten Druck auf der Brust und blinzelte verwundert ins Licht. In meinen Ohren klingelte es unablässig. Die Matratze war sehr hart, und es war streng genommen auch keine Matratze.
    Ich lag mitten im Flur auf meinem Berberteppich, auf mir thronte die angstvoll miauende Orphée, die Deckenbeleuchtung schien mir ins Gesicht, mein Kopf schmerzte wie verrückt, ich hatte das Gefühl, ein Laster wäre einmal über mein Gesicht gefahren, und der verdammte Klingelton in meinem Ohr wollte nicht aufhören.
    Stöhnend richtete ich mich auf und zog mich an der Kommode hoch. Ein Blick in den Spiegel bestätigte mir meine schlimmsten Vermutungen. Der Mann im Spiegel war fertig mit der Welt. Und er sah auch so aus. Vorsichtig fasste ich mir an mein linkes Auge, das blau und zugeschwollen war. Und dann erinnerte ich mich wieder an den großen Mann mit dem harten Schlag, der gestern Abend vor meiner Tür gestanden und mich als Schneckenfresser beschimpft hatte.
    Dabei mochte ich gar keine Schnecken! Seine Faust in meinem Gesicht war der krönende Abschluss eines Tages gewesen, der so hoffnungsvoll begonnen und dann gemäß den Gesetzen der antiken Tragödie auf sein tragisches Finale zugesteuert war.
    Immerhin lebte ich noch. Wenn auch mit einem Hörsturz.
    Als das penetrante Klingeln in meinem Ohr für kurze Zeit verstummte und dann erneut einsetzte, begriff ich, dass es mein Telefon war. Es stand ausnahmsweise einmal dort, wo die Aufladestation war – auf der Kommode im Eingangsflur.
    Ich griff nach dem Hörer. Wahrscheinlich war es Robert, der sich nach meinem Befinden erkundigen wollte. Doch mein Freund schlief so früh am Sonntagmorgen noch. Es war Solène Avrils aufgeregte Stimme, die am anderen Ende der Leitung erklang.
    »Gott sei Dank erreiche ich dich endlich, Alain«, rief sie erleichtert. »Warum gehst du nicht an dein Mobiltelefon? Ich wollte dich warnen.«
    Ich nickte und wie so oft in letzter Zeit hatte ich das Gefühl, den großen Überblick verloren zu haben.
    »Ja?«, entgegnete ich abwartend.
    »Ted ist in Paris und macht hier gerade einen kleinen Amoklauf. Irgendwie ist er auch auf diesen Artikel im Parisien gestoßen und hat das Photo von uns gesehen – du weißt schon, das von der Place Vendôme – ich habe versucht, ihm zu

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