Einfach Abschalten
In seinem Buch The Tyranny of E-mail empfiehlt John Freeman, nicht schon früh am Morgen oder noch spät am Abend nach den E-Mails zu schauen, denn diese Praxis erzeugt, wie er richtig anmerkt, einen »Teufelskreis der Arbeitssucht« 200 . Das gelte insbesondere am Morgen; morgens nicht als Erstes die E-Mails zu checken sorge für eine klarere Trennlinie zwischen Arbeit und Privatleben, was unverzichtbar sei, wenn man hier wie dort vollkommen präsent sein wolle.
Tatsächlich müssen die Rituale, die den Zweck haben, vom digitalen Dasein loszukommen, gar nicht explizit mit elektronischen Geräten zu tun haben.
Sie können sich vollständig auf die positiven Alternativen ausrichten. Wenn Ihnen aufgefallen ist, dass Sie zu viele Ihrer Abendstunden am Bildschirm vergeuden, nehmen Sie sich vor, die Hälfte dieser Zeit etwas Schönes und völlig anderes zu machen – verbringen Sie Ihre Zeit mit Ihrem Partner, studieren Sie mit einem Kind die Sternbilder oder machen Sie diesen italienischen Kochkurs, von dem Sie schon so lange träumen. Entwerfen Sie das Ritual entsprechend der Zeit, die für die neue positive Beschäftigung eingeplant ist, statt danach, wie viel es von der alten, negativen abzieht.
Zugegeben, das sind alles nur Tricks, sich mental zu überlisten, aber schließlich sind es auch die Schliche desselben Geistes, die wir bekämpfen wollen – nur die ungünstigen eben.
6. Thoreau
Das Prinzip: Walden-Zonen
Mitten im betriebsamen 19. Jahrhundert und ganz in der Nähe der Massen schuf Thoreau eine Zone von Frieden und innerer Einfachheit. Jedes digitalisierte Heim kann, wenn man es gut organisiert, demselben Zweck dienen, und es gibt zahllose Variationen des »Zoning«. Solche Räume müssen nicht nur mit Stille und Kontemplation zu tun haben, was (vor allem für Kinder) vielleicht bedeuten würde, dass die Zeit ohne Netz langweilig ist. Kinder sollten lernen, dass der Bildschirm nicht der einzige Ort mit Action ist. Wenn man eine ruhige Walden-Zone hat, sollte sie möglichst mit einer lauten ausgeglichen werden, das heißt, einem Raum, wo man offline ist und rumtoben kann. Das kann auch außerhalb des Hauses sein. Schließlich war Thoreaus Projekt ein Hinterhof-Experiment. Jeder Hinterhof kann als Schutzhafen vor den digitalen Geräten dienen. Die ultimative Walden-Zone ist ein Baumhaus.
Da die Technologien zukünftig stärker zusammenfließen werden und ein Bildschirm verschiedenartige Inhalte anbieten kann – von Kinofilmen über Fernsehen bis zu sozialen Netzwerken und SMS –, könnte es klug sein, verschiedene Zonen oder Bereiche für die unterschiedlichen Bildschirmtätigkeiten einzurichten. Viele von uns machen das de facto schon. Ein Raum für Filme und Fernsehsendungen, die man sich am besten zu mehreren und in gewissem Abstand zum Bildschirm ansieht, und abgetrennte Bereiche für die Tätigkeiten nah am Bildschirm, so wie wir sie mit dem Computer assoziieren. Wobei man sich darüber im Klaren sein sollte, dass dies sehr verschiedenartige Tätigkeiten sind, die sich von vornherein voneinander absetzen – vor dem Fernseher entspannt man sich, während die Bildschirmaktivitäten eher etwas Nervöses haben. Es kann sich als nützlich erweisen, diese Abgrenzungen aufrechtzuerhalten, sodass es in jedem Haus klare Entscheidungsmöglichkeiten gibt.
Das Thoreau-Prinzip kann weit über den privaten Bereich hinaus angewandt werden. Es gibt bereits Walden-Zonen an öffentlichen Orten – die Ruhezonen in Zügen sind so etwas, aber die haben mehr mit Stille als mit Bildschirmen zu tun. Theater, Museen und einige Restaurants bitten ihre Gäste und Besucher, ihre Geräte abzuschalten. Obwohl die meisten Schulen die Intensität der Vernetztheit ihrer Schüler in den letzten Jahrzehnten noch erhöht haben, haben einige vorausschauende Pädagogen auch Offline-Umgebungen geschaffen, in denen man zur Ruhe kommen und andere als elektronische Spiele spielen kann. Der Erziehungswissenschaftler Lowell Monke schreibt, dass solche Orte den Kindern die Möglichkeit geben, ohne den beständigen Lärm des hochtechnisierten Lebens einfach die Dinge zu tun, die ihrer kindlichen Natur entsprechen. 201 Solange die Bildschirme weiter um sich greifen, sollte diese Gegenbewegung etabliert werden.
Offline-Coffeeshops? Fitnesscenter ohne Bildschirme? Vielleicht ein Revival der »Speakeasys«, der illegalen Flüsterkneipen, in denen es während der Prohibitionszeit Schnaps gab, in Form von geheimen, nur mit Passwort
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