Einfach Abschalten
zugänglichen Treffpunkten für die Digital-Flüchtlinge.
7. Marshall McLuhan
Das Prinzip: den inneren Thermostaten herunterregeln
McLuhan sagte, dass jeder von uns in der umtriebigen elektronischen Welt die Qualität seines Erlebens selbst reguliert. Man muss den Mahlstrom seines geschäftigen Lebens genau untersuchen und dann eine eigene kreative Lösung finden, ihm zu entkommen. Ein Bekannter von mir regulierte seine Vernetztheit herunter, indem er sein Smartphone abschaffte und zu einem Standard-Handy zurückkehrte und auf diese Weise E-Mails und das Internet aus seiner mobilen Existenz entfernte. Es war eine »unglaubliche Erleichterung«, erzählte er mir, aber es gab ein Problem: Er war ein großer Baseball-Fan, und das Smartphone los zu sein bedeutete, dass er seiner Lieblingsmannschaft auf der anderen Seite des Landes nicht mehr so treu folgen konnte. Die Lösung: Er fand heraus, wie er mit seinem einfachen Telefon den Spielbericht im Radio hören konnte. Das funktioniert nicht nur prima, berichtet er, sondern belebt auch die Erinnerung daran, wie er als Junge auf diese Weise die Spiele hörte.
Unsere Bemühungen, dem Chaos des digitalen Lebens zu entkommen, müssen nicht mühselig und verzweifelt sein. Wie Poes Seemann kann man eine Art Spiel daraus machen. Lassen Sie Ihr Handy »zufällig« zu Hause liegen, wenn Sie am Wochenende ausgehen, nur um zu sehen, wie die anderen reagieren, wenn sie Sie nicht erreichen können. Veranstalten Sie eine Offline-Party, auf der alle Handys am Eingang abgegeben werden müssen. In der Supermarktkette, in der wir oft einkaufen, hat man überall Bildschirme installiert, die pausenlos Werbung zeigen. Manchmal, wenn keiner guckt, lange ich hinauf und schalte einen aus.
Obwohl McLuhan sein Augenmerk stärker auf die Technik als auf den Inhalt legte, kann es unbestritten eine große Hilfe sein, Inhalte mit Bedacht zu wählen. Wenn man beispielsweise den ganzen Tag über in McLuhanscher Manier sein Hirn in die Welt hinein erweitert hat, hat das seinen Preis. Global zu denken ist anstrengend. Eine Möglichkeit, das übermäßig erweiterte Gehirn im Zaum zu halten, ist, lokalen Medieninhalten größere Aufmerksamkeit zu schenken. Statt immer entferntere Ereignisse zu verfolgen, können Sie sich angewöhnen, Ihre Aufmerksamkeit regelmäßig auf die Region zu richten, in der Sie leben. Lassen Sie Ihre Bildschirmerlebnisse weniger ausufernd werden, indem Sie eine gute lokale Nachrichten-Webseite oder einen Blog aussuchen und sich regelmäßig dort informieren. Hören Sie lokale Radiosender. Kaufen Sie eine Regionalzeitung und nehmen Sie sie mit nach Hause. Gehen Sie hinaus und plaudern Sie ein wenig mit dem Nachbarn. Nach dem Vorbild der wachsenden »Locavore«- oder »Local-Food«-Bewegung, die den Konsum in der Region angebauten Essens propagiert, sollte es eine Entsprechung für Bildschirme geben. Entfliehen Sie dem »globalen Dorf« in Ihr eigenes Dorf, selbst wenn es nur ein Straßenblock in einer großen Stadt sein sollte.
Und wenn Sie dieses Dorf erst mal gefunden haben, hätte ich folgenden Vorschlag: Organisieren Sie Treffen, um Einkaufstipps für die Hilfsmittel des modernen Lebens auszutauschen. Auf einer »Talenttauschbörse«, die in unserer Gegend stattfand, kamen die Leute zusammen, um das digitale Zeitalter etwas kooperativer und menschlicher zu machen. In der Zeitung des nächsten Tages fasste es ein Artikel folgendermaßen zusammen: »Ein Achtklässler erklärte das Nintendo Wii, zwei Jungen von der Highschool hielten Vorträge über Facebook und Handyfunktionen, während ein Mann mittleren Alters zeigte, wie man Fleisch zerteilt.« 202 Wenn das ein Vorgeschmack auf die Zukunft ist, sind wir alle fein raus.
Die oben genannten Vorschläge sind überwiegend kleine Schritte, aber es gibt auch ehrgeizigere Wege, diese Ideen anzuwenden. Vor ein paar Jahren haben meine Familie und ich ein Experiment unternommen, das zum Ziel hatte, den festen Griff, in dem die Bildschirme unser gemeinsames Leben hielten, zu lockern. Dazu gehörten ein paar der oben besprochenen Ideen, und es funktionierte so gut, dass es in unserem Leben zu einer dauerhaften Einrichtung geworden ist. Und zwar geschah Folgendes.
198 McLuhan, Magische Kanäle, S. 46.
199 Fink S. 17 ( III ,5).
200 »Get Smart? Testing the iPhone and the Blackberry Bold«, in: Condé Nast Traveler, Juni 2009. Der darauf folgende Brief von Becca Podell wurde in der Ausgabe vom August 2009 veröffentlicht.
201 John
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