Einfach Abschalten
und Familienumstände, die es nicht zulassen, an zwei Tagen oder auch nur einem pro Woche offline zu gehen. Dennoch denke ich, dass es viele gibt, die es ohne allzu große Beeinträchtigung einmal versuchen könnten. Wenn man etwas aus Überzeugung tut, erfährt man dafür in der Regel ringsum Unterstützung. Ich bekomme jetzt oft E-Mails, in deren Betreffzeile steht: »Ich weiß, Sie werden diese Mail erst Montag lesen, aber …« Wenn mehr Leute damit anfingen, innerhalb der digitalen Umgebung Alkoven und Terrassen zu bauen, würden sich daraus unausweichlich neue Sitten und Umgangsformen ergeben.
Wo immer diese Idee Verbreitung findet, verändert sich nicht nur das Leben innerhalb der einzelnen Haushalte, sondern auch die Kommunikation zwischen ihnen. Ein weiterer Vorzug unseres Sabbats ist, dass wir sehr viel öfter rauskommen, Nachbarn sehen und das Leben in der Natur genießen. Dem Buch Eine Muster-Sprache zufolge sind die gesündesten und lebhaftesten Gemeinschaften diejenigen, in denen die Leute sich auf öffentlichen Plätzen und in anderen physischen Gemeinschaftsräumen zwanglos begegnen und kennenlernen. Es gibt ein Muster, das sich »Tanz auf der Straße« nennt und in dem Buch als eine verloren gegangene Kunst aufgeführt wird: »Auf der ganzen Welt tanzten die Leute früher auf der Straße … Aber in den Teilen der Welt, die modern und technisch fortgeschritten sind, ist dieses Erlebnis ausgestorben.« 207
Digitale Gesellschaften bieten in Form sozialer Netzwerke und Ähnlichem so etwas wie einen Straßentanz; doch er wirkt eher wie der Veitstanz, von dem Thoreau spricht, eher fieberhaft als freudig. Ich sehe es geradezu vor mir: Wenn mehr Modems und Router am Freitagabend ausgeschaltet werden, werden die Fenster weit aufgestoßen, und die Leute spazieren hinaus und treffen sich, wie sonst nur bei Stromausfall, mit ihren Nachbarn, die sie bisher kaum kannten – und vielleicht tanzen sie sogar auf den Straßen.
203 Myers, K. C.: »Have a Skill? Please Share!«, in: Cape Cod Times vom 4. Oktober 2009, S. A1.
204 Pew Internet & American Life Project, »Networked Families«, www.pewinternet.org (19. Oktober 2008).
205 Alexander, Christopher/Ishikawa, Sara/Silverstein, Murray: A Pattern Language: Towns, Buildings, Construction, New York 1977, S. 828–832 and S. 665. Übersetzung: I. E. (Dt.: Eine Muster-Sprache: Städte – Gebäude – Konstruktionen, Wien, 2. Auflage 2010).
206 Winnicott, Donald: »The Capacity to Be Alone«, in: The Maturational Processes and the Facilitating Environment, London 1990, S. 29–36. (Dt.: Reifungsprozesse und fördernde Umwelt, Frankfurt am Main 1990).
207 Bittman, Mark: »I Need a Virtual Break. No, Really«, www.nytimes.com, (2. März 2008); »King’s Screen Addiction«, in: The Week vom 7. August 2009, S. 10.
Nachwort: Noch einmal im Raum
Egal, wie gewissenhaft Sie darüber nachdenken oder wie beharrlich Sie an neuen Umgangsweisen und Gewohnheiten arbeiten, Sie kommen nicht um die Tatsache herum, dass wir in einer sehr umtriebigen Welt leben. So umtriebig, dass Sie früher oder später unausweichlich wieder an diesem hektischen Ort landen, wo sich alles darum dreht, einander auf die Schulter zu klopfen, und wo allein schon die Vorstellung, dort auszubrechen, weltfremd erscheint.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich einen solchen Tag. Er begann mit etwas, das ganz unbestreitbar nichts mit digitaler Technik zu tun hatte, mit einer Vorladung als Geschworener nämlich, die auf altmodische Art von unserem Briefträger gebracht worden war. Als ich den Briefumschlag öffnete, sank mir das Herz. Auch wenn es sowieso keinen guten Zeitpunkt für eine Berufung als Geschworener gibt, war dieser besonders ungünstig. Ich hatte einen unaufhaltsam näher rückenden Abgabetermin, Martha arbeitete selbst hart an ihrem Buch, und diverse Familienangelegenheiten hatten uns die Arbeiten bis zum Äußersten hinausschieben lassen. Und es handelte sich nicht um die typische Aufforderung, sich beim örtlichen Gericht zehn Minuten von uns entfernt zu melden oder beim State Superior Court, dem Landesgericht, ein paar Städte weiter. Es war eine Bundesvorladung, in der stand, dass ich am festgesetzten Morgen vor dem U. S. District Courthouse, das mitten in Boston lag, zu erscheinen hatte. Das bedeutete zwei Stunden Fahrt hin und zwei zurück, womöglich mehr, je nach Verkehr. Ich würde voraussichtlich drei Wochen lang designierter Geschworener sein, aber wenn ich tatsächlich in
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