Einfach ein gutes Leben
gründeten, haben er und seine Familie sehr viel Unterstützung bekommen und gesehen: Die Leute im Oderbruch sehen Selbstversorgung positiv.
Dabei ist ihnen oft gar nicht bewusst, dass sie überhaupt welche betreiben. Das musste jedenfalls Dr. Kenneth Anders erfahren. Sein Büro für Landschaftskommunikation hatte im September 2009 unter dem Motto »Die weite Welt der Subsistenz« eine Sommerschule ausgerichtet, auf der Selbstversorger der Region mit Wissenschaftlern und Studenten in Kontakt kamen und dort offenbar teils zum allerersten Mal auf das Thema gestoßen sind, zumindest unter diesem Namen. »Viele betrachten Selbstversorgung gar nicht als solche. Sie sagen erst: Nein, mache ich nicht. Aber wenn man nachfragt, dann kommt doch: Ach ja, ein paar Möhren ziehe ich noch. Ach ja, Kartoffeln hab ich auch noch. Und ein Schwein.«
Als die Sommerschule ihre Ergebnisse in einem Theaterprojekt präsentierte, kamen sie von überall her aus dem Bruch, aus Letschin, Neulewin, Altwriezen oder Croustillier. Alteingesessene Familien wie Zuzügler, bodenständige Alleinunternehmer wie Aussteiger, die ihr Heil in der rauen Landschaft suchen, sie sind in der Region per se alle vertreten. Nach den sogenannten Sinusmilieus muss Kenneth Anders hier gar nicht schauen, für die Landwirtschaft im Oderbruch machen sie keinen Unterschied. Er findet »Postmaterielle«, »Traditionsverwurzelte«, »Experimentalisten« und die »bürgerliche Mitte« bunt durcheinandergewürfelt, als er sich unter die Zuschauer der Theateraktionen mischt. Doch hinterher erzählen sie ihm unisono, wie unheimlich viel sie auf der Bühne aus dem Leben in ihrer Region wiedererkannt haben, und dass ihnen damit erst klar wurde, welchen Stellenwert die Selbstversorgung in ihrem Landstrich hat. »Die Leute haben uns ihre Arbeit mit einem gewissen Stolz präsentiert und erkannt, dass sie es wert ist, gezeigt zu werden«, resümiert Anders.
»Ich klaue nicht, ich baue an!
Es wächst mir alles zu.
Durch Arbeit!
Gemüse und Obst, Eier und Saft, Fleisch und Holz.
Selbstversorgung ist mühsam.
Selbstversorgung macht selbst-bewusst.«
»Ich bin ungezogen. Ich versorge mich selbst,
obwohl es bei Aldi viel billiger ist!
Das ist meine Existenz: die Subsistenz!«
Die Theatertexte der Sommerschule sind konsequenterweise ebenfalls selbst geschrieben. Sie erzählen bereits eine ganze Menge über das Lebensgefühl der Selbstversorger im Oderbruch. Die Versorgung mit eigenen Lebensmitteln gehört hier einfach dazu. Es ist kein Thema, über das man spricht. Das gilt allerdings nicht nur für die Bewohner des Oderbruchs, sondern für die ganze Gesellschaft. Selbstversorgung ist aus dem öffentlichen Diskurs und damit aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Dass sie »selbst-bewusst macht«, passiert also nicht einfach automatisch. Offenbar braucht es dann und wann einen Bewusstmacher wie die Sommerschule. Das Büro für Landschaftskommunikation springt in diese Bresche und will Selbstversorgung zurück in die Köpfe bringen, die Reflexion weitertragen. Kenneth Anders und sein Kollege Lars Fischer haben mit der Website oderbruchpavillon.de bereits eine Plattform dafür geschaffen, zu der auch Peter Huth und andere Oderbrüchler ihre Beiträge gegeben haben.
Bei einem Besuch auf der Site des Oderbruchpavillons wird schnell klar, wie viele unterschiedliche Facetten Subsistenz haben kann und vor welcher Vielzahl von Hintergründen Menschen Subsistenz betreiben. Peter Huth vereint gleich mehrere der vielen verschiedenen Gründe dafür, Selbstversorger zu werden (oder zu bleiben), in seiner Person. Zum einen hat er sich bewusst dafür entschieden und die Hofgründung über Jahre planvoll vorangetrieben. Zum anderen war es fast eine Selbstverständlichkeit. »Ich kenne es nur so«, einen Teil der angebauten Lebensmittel für den eigenen Bedarf zu behalten, einen anderen Teil durch Verkauf zu Geld zu machen. Schon sein Großvater hatte neben der Erwerbsarbeit einen 1.000 Quadratmeter großen Garten, den er bis ins hohe Alter bewirtschaftete.
Und schließlich will Peter Huth die Fackel weitertragen und seine Ideen und Erfahrungen an andere weitergeben. Auf seinem Hof ist genug Platz für Leute, die sich als Landwirte versuchen wollen. Den ausgebauten ehemaligen Rinderstall hat er inzwischen einer Gruppe jüngerer Leute zur Verfügung gestellt, die mit dem Gemüseanbau experimentieren wollen. Gerade haben sie mit der Vermarktung nach Berlin begonnen, genau wie
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