Einfach ein gutes Leben
er. Auf dem alten Vorwerk Basta treffen sich jetzt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Selbstversorgung.
Aus dem Geld ins (wirklich) eigene Leben
Menschen wie ihm ist es fremd, kategorisch oder ideologisch über Subsistenz zu denken und zu sprechen. Subsistenz ist genauso wenig rückständig wie weltabgewandt, kein Ding einer vormodernen Vergangenheit, das längst ad acta gehört, keine Vision von Spinnern, Gutmenschen oder ökomilitanten Weltverbesserern. Es sind nicht bloß die paar verbliebenen Altbauern, die noch ein letztes Stück Garten beackern, weil sie es doch immer so gemacht haben. Immer mehr junge Leute, die vorher nie etwas mit Selbstversorgung zu schaffen hatten, interessieren sich dafür und probieren sich aus abseits der ausgetretenen, täglichen Routen zu Aldi, Lidl, Rewe. Subsistenz kehrt zurück.
Lisa Pfleger und Michael Hartl, beide in den 20ern – sie Studentin, er Mitgründer einer Medienagentur –, haben ihren Traum von der Selbstversorgung wahr gemacht und sind im Januar 2010 in ein kleines Haus am Rande eines landwirtschaftlichen Betriebes südlich von Wien gezogen. In dem hochgelegenen Landstrich, der »Bucklige Welt« genannt wird, leben sie ihren Traum, auf den sie nicht erst warten wollten, bis die Zeit reif ist. Im ersten Jahr hat sich dort schon viel getan, besser gesagt: Lisa und Michael haben dort viel getan. Brot aus eigens hergestelltem Sauerteig gebacken zum Beispiel, ein Stück Land urbar gemacht, einen Gemüsegarten angelegt und gepflegt, Wildkräuter gesammelt, und – der kleine Hof ist noch mitten in der Erprobungsphase – sich eingehend informiert über die Vorratshaltung, natürliche Waschsubstanzen und heilende Kräuter. Die Anfänge sind gemacht, und es soll noch viel mehr folgen. »Ein Obsthain, ein Kräutergarten, Gemüse aus Mischkultur und verschiedenes Getreide sollen uns versorgen und gesund halten«, schreiben die beiden auf ihrer Website experimentselbstversorgung.net. Dort haben sie auch eine Art Credo hinterlegt, das in erster Linie für ihren Traum steht, gleichzeitig aber das Lebensgefühl sehr vieler der neuen Selbstversorger treffen wird.
»Es geht um unser Leben, unsere Zukunft, einen Hof und viel Verbindung mit der Natur. Es geht um Freiheit, Verantwortung und Unabhängigkeit. Das Leben in der heutigen Gesellschaft sieht für die allermeisten so aus, dass du von morgens bis abends damit beschäftigt bist, zu lernen, zu arbeiten oder dich vom Lernen und vom Arbeiten zu erholen. Du machst Dinge, die du nur tust, weil du dich ablenken musst. Ablenken davon, dass du in einem unsichtbaren Käfig steckst. In einem Käfig aus Arbeit, Beton, Abgasen und Konsum. Letzterer wird dir so verkauft, als sei er der Lohn für die Arbeit. Ein Teufelskreis: Wir arbeiten, um zu konsumieren, müssen dann mehr arbeiten, um das Gekaufte zu erhalten, und möchten dann aber, da wir ja jetzt mehr arbeiten, zur Belohnung mehr konsumieren. Und wir alle akzeptieren dies als gegeben und normal. Gibt es nur eine Person, die durch Geld und Besitz glücklicher wird als ein Mensch, der im Einklang mit seiner Umgebung lebt und innige, gute Freundschaften pflegt? Macht uns nicht mehr und mehr Besitz immer abhängiger von noch mehr Arbeit? Sehnen sich die meisten Menschen nicht deswegen von Zeit zu Zeit so sehr nach Urlaub, weil der Alltag für sie das genaue Gegenteil von Urlaub ist?«
Hinter Lisas und Michaels Versuch, ihre Idee wahr zu machen, steckt keine liebenswert-spinnerte Idee zweier Träumerle, sondern handfeste Gesellschaftskritik, das keimende Bewusstsein, dass es so nicht weitergeht mit uns allen, und der Mut, sich offen im Widerspruch zu seiner Zeit zu bewegen – nicht zu vergessen eine Prise Sendungsbewusstsein. Das Weblog auf ihrer Homepage soll andere darüber auf dem Laufenden halten, wie ihr Experiment fortschreitet, und ihnenso das Selbstversorgen schmackhaft machen. Subsistenz als Selbstversuch, an dem alle laufend teilhaben können.
Die Anfänge sind, wie könnte es anders sein, bescheiden. Das große Ziel ist, Lebensmittel so weit wie irgend möglich selbst zu produzieren und auf diese Weise wenigstens bei der eigenen Nahrung vom Kaufen unabhängig zu sein. Erste Schritte sind gemacht, alles Weitere folgt peu à peu, mehr geht im Moment ohnehin nicht. Die meiste Arbeit im eigenen Garten verlegen die beiden auf das Wochenende. Michael wohnt zwar schon ganz in dem Haus in der Buckligen Welt, er kann seine Erwerbsarbeit in der Agentur größtenteils von dort
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