Einfach ein gutes Leben
menschlicher Müll vorkommen. In New York sind viele von ihnen Arbeitslose oder chancenlose Einwanderinnen. Letztere bringen neben den Hoffnungen auf einen Neuanfang oft noch einen wertvollen Kenntnisschatz mit: Sie wissen, wie man einen Küchengarten bewirtschaftet. Für sie und andere, denen die Geldmittel fehlen, ist Gärtnern ein Mittel zum Überleben, eine Form der Selbsthilfe in einer Großstadt, die ihnen von sich aus nicht helfen wird.
Gemeinschafts- und Nachbarschaftsgärten sind in ihrer Gesamtheit eine schillernde Erscheinung. Es führte zu einem verkürzten Bild, ihren Sinn ausschließlich in der Nahrungsmittelversorgung der Mittellosen zu sehen. Die Kiezgärten, wie manche von ihnen in Berlin heißen, entstehen meist durch das Engagement einer bunten Mischung von Anwohnern mit einer ebenso bunten Mischung von Beweggründen, zu denen unter anderem die Aufzucht von Nutzpflanzen gehört. Auf der kleinen Fläche in der Schliemannstraße am Prenzlauer Berg beispielsweise stehen sowohl Obstbäume, Kräuter, Beeren und Gemüsebeete als auch Blumen, die einfach schön aussehen; es ist Platz genug für spielende Kinder wie ebenauch für Gartenarbeit. Der Kiezgarten ist in erster Linie ein Treffpunkt und Gemeinschaftsraum (siehe Kapitel 6), in dem Menschen zusammen tätig (und natürlich auch mal untätig) sein können. Die Tätigkeiten haben selbstredend meistens mit dem Gärtnern zu tun. Spezialität an der Schliemannstraße: alte Kulturpflanzen wie Blaue Kartoffel oder Erdbeerspinat.
Der wohl bekannteste Gemeinschaftsgarten Berlins jedoch ist die »Rosa Rose«. Er entstand 2004 in Friedrichshain-Kreuzberg, als einigen Anwohnern der Kinzigstraße der Anblick der bereits seit Jahren brachliegenden Baulücke inmitten ihrer Häuser zu bunt (besser gesagt: zu grau) wurde. Der Bezirk ist mit nur wenig Grün gesegnet, die Gebäude sind einförmig, hoch und strahlen den Charme des Zweckmäßigen aus. Es lag nahe, das wartende Bauland, das bis dato im Besitz der Stadt lag, in die eigenen Hände zu nehmen und in einen blühenden Garten zu verwandeln. In einer gemeinsamen Anstrengung der inzwischen gewachsenen Gruppe begeisterter Grünflächenfreunde wurde die Brachfläche zuerst von dem Abfall befreit, der sich dort gesammelt hatte, und anschließend bepflanzt. Der Gemeinschaftsgarten wuchs in den folgenden Jahren prächtig, so wie die Gemeinschaft selbst auch. Man traf sich, gärtnerte, diskutierte, richtete kulturelle Veranstaltungen aus, freute sich daran, all das prinzipiell jedem, der kommen wollte, kostenlos zur Verfügung stellen zu können.
Der Nachbarschaftsgarten war nicht zuletzt auch ein Raum, um sich beziehungsweise etwas auszuprobieren. »Für mich ist der Garten ein riesiges Experimentierfeld«, schreibt eine der Besucherinnen in ihrem Weblog. 17 »Kann man einen Johannisbeerbusch als natürliche Rankhilfe für Erbsen einsetzen oder bekämpfen die beiden sich gegenseitig? Fühlen sich Erdbeeren am schattigen Fuße eines Haselnussbuschs wohler als in der prallen Sonne? Welche Pflanzen passen zum trockenen sonnigen Mikroklima des Gartens?« Genau wie Lisa und Michael oder Giann und Vanella auf ihren Höfen lernen auch die Gemeinschaftsgärtner durch Versuch und Irrtum, durch machen, hinschauen, anders machen.
Im Juli 2009 schließlich fiel für die »Rosa Rose« der Vorhang. Alles, was von ihr bleibt, ist ein Abgesang auf das »kleine, grünbunte Juwel in unserer kostbaren urbanen Natur, die das Leben inmitten von Stein und Beton so viel größer macht« auf der Homepage der Stiftung Interkultur (die auch das Netzwerk Urbanacker fördert). Die Stadt verkaufte das Grundstück an einen Investor, erst nur ein Drittel, dann den Rest. Immerhin konnten die Pflanzen gerettet und mit Lastenfahrrädern in einem feierlichen Umzug auf andere Brachflächen transportiert werden. »Wie Rhizomausläufer entstanden dabei auch in vielen anderen Stadtteilen kleine Rosa-Rose-Asylbeete.« 18 Ihre grüne Insel in direkter Nachbarschaft ist für die »Rosa Rose«-Gärtner einstweilen passé, sie hegen dennoch weiter die Hoffnung, an anderer Stelle einen Ort zu finden, an dem es weitergehen kann. Sowohl Anlass als auch geeignete Brachen gäbe es schließlich genug.
Urbane Gärten sind deswegen für Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen so attraktiv, weil sie vielerlei Vorteile bieten. Den Arbeitslosen zum Beispiel geben sie nicht bloß ein Zusatzeinkommen in Form von Lebensmitteln, sondern auch ein Stückchen
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