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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ploeger
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mehr, dass die neuen Selbstversorger von Ansichten über das gute Leben geleitet werden, die sich so gut mit denen der gelehrten Köpfe wie Maslow, Nussbaum oder Sen decken. Fast könnte man meinen, Subsistenzproduktion sei eine praktische Umsetzung der philosophischen Ideen von Glück und Zufriedenheit. Das ist sie natürlich streng genommen nicht. Hier nähern sich lediglich zwei Denkweisen einander von zwei verschiedenen Seiten, eine aus der Richtung der geistigen Abstraktion, eine aus der Richtung praktischer Handlungsweisen. 30 Dass sie sich in der Mitte treffen, ist allerdings kein Zufall. Funktionierende Subsistenzproduktion befriedigt eine ganze Sammlung menschlicher Grundbedürfnisse. Subsistenzproduktion, kurz gesagt, ist ein menschliches Grundbedürfnis. In der Selbstversorgung könnten unter den richtigen Voraussetzungen alle Menschen Chancen auf das gute Leben finden.
    Es lohnt sich, an dieser Stelle noch einmal sorgfältig die zwei Perspektiven auf das gute Leben voneinander zu unterscheiden: die der Grund bedürfnisse und die der Grund befähigungen . Selbstversorgung erfüllt eben nicht nur Wünsche, sie reagiert nicht nur auf das »Ich brauche …«. Sie hilft auch Fähigkeiten zu erkennen, zu realisieren, sie ermöglicht den Menschen eine erweiterte Verwirklichung ihrer jeweiligen Lebenschancen. Verzichte ich in meinem Garten auf den Einsatz von Pestiziden und chemischen Düngemitteln, ermögliche ich mir ein gesünderes Dasein und gleichzeitig einen selbstbestimmten Umgang mit meiner Nahrung – von beidem schneide ich mich ab, bleibe ich bei industriell gefertigten, verpackten und marktvermittelt vertriebenen Nahrungsmitteln. Subsistenz ist ein ermöglichender Ansatz, der Menschen Türen zu einem zufriedeneren Leben aufschließt. Denn: Je mehr Grundbefähigungen wir realisieren können, desto näher kommen wir einem gelingenden, einem guten Leben. Mit anderen Worten: Über Subsistenz reden heißt, über gutes Leben reden. Und ein gutes Leben streben wir alle an, es ist ein echtes, generalisierbares Grundbedürfnis.
    Wenn ich bisher die Worte »Subsistenz« und »Selbstversorgung« synonym benutzt habe, so ist das streng genommen nicht korrekt. »Selbstversorgung« bedeutet das, was die Wortbestandteile bereits aussagen: sich selbst (und andere in der näheren sozialen Umgebung) mit Lebensnotwendigem zu versorgen. »Subsistenz« schließt Selbstversorgung zwar mit ein, ist jedoch noch wesentlich mehr. Der selbstversorgende Teil der Subsistenz ist zunächst der, der die eigene Reproduktion sicherstellt (sprich das Am-Leben-bleiben), sagt Christa Müller von der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis. Seit über zehn Jahren kümmern sich Müller, ihre Kolleginnen und Kollegen von ihrem Münchener Büro aus um die Förderung und Erforschung der Praxis von Selbstorganisation und Subsistenz. Müller kennt alle möglichen Spielarten aus ihrer alltäglichen Arbeit. Um einen groben Überblick zu schaffen, unterscheidet sie zwischen privater Subsistenz, also zum Beispiel der Selbstversorgung im eigenen Garten, der Nachbarschaftshilfe oder der Hausarbeit und öffentlicher Subsistenz, etwa durch zivilgesellschaftliches Engagement für Tierrechte, für Fair Trade oder den Aufbau eines urbanen Gemeinschaftsgartens. Quer dazu zieht Müller eine weitere Unterscheidung, nämlich die zwischen materieller und immaterieller Subsistenz. Beispiele für die erste sind wiederum der Garten, die Arbeit in Kochgruppen oder die Landwirtschaft in Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften. Das Engagement für Fair Trade wäre dagegen eine Form der immateriellen Subsistenz, »die eine solidarische und fürsorgende Geisteshaltung (Care) voraussetzt«.
    Zunächst scheint es kaum Sinn zu ergeben, einer so unübersichtlichen Vielzahl von Aktivitäten einen gemeinsamen Namen zu verleihen. Was sie alle eint, ist jedoch, dass sie sich außerhalb der herkömmlichen, durch die kapitalistisch-marktwirtschaftliche Ordnung vorgegebenen Verwertungszusammenhänge bewegen. Subsistenzaktivitäten sind daher oft mit politischen Zielen verbunden, mit einer Änderung der Lebensverhältnisse in einem größeren als dem privaten Maßstab. Subsistenz führt in Müllers Deutung niemals nur zur Autarkie des Einzelnen.
    »Subsistenz stellt Verbindung her, Verbundenheit mit anderen, man kann zum Beispiel gemeinsam einen produktiven Begegnungsort mitten in der Stadt schaffen, so etwas bringt einen aus den anonymisierten Marktbeziehungen heraus.

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