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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ploeger
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wenigen Millimetern Größe in die Erde zu stecken und zu erleben, wie daraus tatsächlich eine Pflanze sprießt. So ein Wunder der Natur übersteigt dann manchmal meine Vorstellungskraft.«
    Selbst produzierte Lebensmittel, innere Ruhe, Verbundenheit mit der Natur – die neuen Selbstversorger finden einiges von dem, was sie für einen Teil des guten Lebens erachten und in der marktorientierten Konsumgesellschaft vermissen, in ihren Subsistenzprojekten. So auch die Selbstbestimmung. Kenneth Anders hat im Oderbruch niemanden erlebt, für den sie keine Bedeutung gehabt hätte. »Das geht schon damit los, dass sie entscheiden, wo der Misthaufen hin soll, dass sie wissen, wie man mit Bienenvölkern umgehen muss. Sie erfinden was, sie handeln aus eigenem Antrieb.« Wo sie im »normalen Leben« in der Regel Weisungsempfänger wären (zum Beispiel auf der Arbeitsstelle) oder auf verschiedenste Weise subtilerer Kontrolle unterlägen (im Straßenverkehr etwa), sind sie als Selbstversorger freigelassen, über ihr alltägliches Handeln autark zu entscheiden. Das nehmen sie als Zuwachs an Lebensqualität wahr, bestätigt auch Peter Huth: »Ich leiste mir den Luxus, die Dinge so zu machen, wie ich sie machen will und Produkte herzustellen, zu denen ich stehen kann.« Selbstversorgung heißt für Huth also auch authentisch zu sein, zu wissen, dass er nach seinen Fähigkeiten arbeitet, und die Qualität des Produktes zu kennen, das daraus resultiert.
    Dass Autarkie in den Entscheidungen weder Egoismus noch soziale Isolierung bedeutet, sondern Selbstversorger in der Regel enge Netze gegenseitiger Hilfen und Kooperationen knüpfen, habe ich ebenfalls bereits herausgestellt. Subsistenzproduktion erfüllt damit die Grundbefähigung, mit anderen und für andere leben zu können. Subsistenz ist sogar grundsätzlich kooperativ (vgl. Kapitel 5), erklärt Maria Mies, Sozialwissenschaftlerin mit langjähriger Erfahrung in empirischen Forschungsprojekten zur Subsistenz in Europa und der sogenannten Dritten Welt. »Selbstbestimmung ist Teil des gutenLebens, funktioniert aber nur in der Gemeinschaft und auch nicht auf Kosten anderer Gemeinschaften oder der Natur.« Der individualistische Begriff von Selbstbestimmung (»Ich tue, was ich will!«) hat mit Selbstversorgung also nichts zu tun. Indem Kooperation an eine so zentrale Stelle rückt, stellt sich Subsistenzproduktion der kapitalistischen Produktion, in der es um wettbewerbsgetriebene Maximierung von Profiten geht, diametral gegenüber. Es wird nicht für den anonymen Markt produziert, sondern für eine überschaubare Zahl von an Produktion und Handel Beteiligten, die sich untereinander kennen, sodass alle einen fairen Vorteil schöpfen können.
    Die neue Selbstversorgung ist alles in allem in einem doppelten Sinne nonkonformistisch: zum einen artikuliert nonkonformistisch, nämlich überall dort, wo ihre Protagonisten politische Statements oder Zeitkritik mit ihr verknüpfen. Die Mülltaucher tun das sehr prononciert mit ihrer spezialisierten Kritik. »Einsteiger ins gute Leben« wie Giann und Vanella oder Lisa und Michael zum anderen nehmen den Konsumismus als Ganzes mit seiner Denkweise in Märkten und Profiten aufs Korn. Sie alle begreifen die Selbstversorgung als Alternative zum Kapitalismus und zur herkömmlichen Lohnarbeit, die sie zwar nicht auf die Dimension eines Gesellschaftsmodells ausdehnen, aber der sie viel praktische Bedeutung für ihr eigenes Leben abgewinnen können. Damit machen sie aber bereits einen Schritt hinaus und hin zu einer anderen Vorstellung davon, wie wir wirtschaften und arbeiten könnten. Und es ist dabei gerade das konsequente, oft bewusst durchdachte Streben nach einem guten Leben, das sie vom »business as usual« absetzt. Sie finden es nicht mehr, das gute Leben, die Zufriedenheit, die Erfüllung ihrer Bedürfnisse. Sie ahnen, dass all das für sie nicht mehr möglich ist in der Welt, in der sie leben. Sie fackeln nicht lange und gehen über zum »unusual business«, weil sie Anhaltspunkte genug dafür haben, dass sie in der Selbstversorgung mehr von dem guten Leben finden, das sie sich vorstellen. Selbstversorgung ist ihre eigene, nonkonformistische Art, ihr jeweils eigenes Ziel von einem guten Leben zu erreichen. »Ich denke«, resümiert Michael Hartl, »Selbstversorgung ist kein Ziel, dasman erreichen kann, sondern ein Weg. Ein Weg zu mehr Verantwortung, zu mehr Naturverbundenheit, zu gesünderem Essen.«
    Es überrascht schließlich gar nicht

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