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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ploeger
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Gleichzeitig ist immer die Perspektive damit verbunden, das eigene Leben selbst zu gestalten und unabhängiger zu werden.«
    Marktvermittelte Versorgung macht nur scheinbar unabhängig, indem sie uns mit einem universell tauschbaren Zahlungsmittel (Geld) ausstattet und uns eine Menge frei wählbarer Waren zur Verfügung stellt. Subsistenzproduktion dagegen »ist gesellschaftlich notwendige Arbeit, die es auch ermöglicht, außerhalb des Erwerbsarbeitsbereichs Raum zu schaffen, zum Beispiel dafür,« – an dieser Stelle zitiert Müller Amartya Sen – »ein als sinnvoll erkanntes Leben zu führen«. 31
    Bei der Subsistenz geht es mithin tatsächlich nicht nur um die schlichte Versorgung mit Notwendigem. Die Idee ist eine viel weitere. Es geht um Freiheit, Glück, Selbstbestimmung, Durchhalten, langen Atem, Widerständigkeit. 32 Subsistenz orientiert sich nicht wie die herkömmliche Güterproduktion am Geld. Sie hat ein anderes Ziel: Leben. Die Subsistenzproduktion, so fasst es die Subsistenzforscherin Maria Mies pointiert zusammen, bemüht sich um die Erhaltung des Lebens und der Lebensmittel. Sie mit bloßer Renitenz oder aber mit pastoraler Romantik zu verwechseln geht weit fehl. »Es wäre nötig, in die Köpfe zu bringen, dass Subsistenz kein Rückschritt ist, sondern das gute Leben.« Mies schüttelt den Kopf darüber, dass die Leute sich hierzulande so an ihre Abhängigkeit von Geld gewöhnt haben. »Wie soll ich leben ohne Arbeit«, fragen sie. Mies bedauert auch die Landwirte, die so viel Land und Tiere haben und dennoch der (innerhalb des Systems natürlich zutreffenden) Ansicht sind, sie könnten davon nicht leben. »Sie haben einen Begriff von Leben, der so verkümmert ist, so verarmt ist, der nur auf Geld beruht. Das Schwierige ist, den Leuten nahezubringen, dass wenig Geld kein Mangel ist« – aus Mies’ Subsistenzperspektive gesehen. »Subsistenz bedeutet kein armes oder rückständiges Leben, sondern ein Leben in Fülle.«
Luxus Mülltauchen
    Ein Leben in Fülle? Mit Lebensmitteln, die man mühsam aus dem Boden kratzen muss, um die man sich immer wieder neu bemühen, um die man sich permanent kümmern muss? Wie kann ein Leben im Dreck ein Leben in Fülle sein? Haben wir das Mittelalter nicht längst hinter uns gelassen? Man kann die Unkenrufe schon hören.
    Der Gedanke wirkte weniger fremd und missverständlich, wenn wir gewohnt wären, »Fülle« nicht mit »materieller Fülle« gleichzusetzen, die sich mit Geld erwerben lässt. Wir nehmen das »Zugriff haben auf«, das »sich beschaffen können« sehr wichtig und regeln den Zugriff über eine Währung, die damit zu einem höchsten Gut wird. Haben ist uns wichtiger als Sein, um mit Erich Fromms viel zitiertem Wortpaar zu sprechen. Eben so ist unsere Ökonomie eingerichtet, die uns ein bis zum Rande vollgestopftes Füllhorn an Gütern vor die Nase hält: genau richtig für jemanden, der fragt, was es alles zu besitzen gibt, abstoßend für denjenigen, der fragt, wie er ein gutes Leben leben kann.
    Das Füllhorn ist kein Luxus. Mülltauchen ist Luxus. Mülltaucher beschaffen sich etwas zu essen und protestieren gleichzeitig gegen den herkömmlichen Modus der Essensbeschaffung. Sie sind widerständig gegenüber der Art und Weise, in der mit Nahrungsmitteln umgegangen wird, und nehmen diesen Umgang nicht einfach hin. Damit realisieren sie die Fähigkeiten, die Nussbaum als Nummer sechs und Nummer zehn in ihre Liste der Grundbefähigungen aufgenommen hat: »die Fähigkeit, sich eine Vorstellung vom Guten zu machen und kritisch über die eigene Lebensplanung nachzudenken« sowie »die Fähigkeit, sein eigenes Leben und nicht das von jemand anderem zu leben«. Ihre Widerständigkeit wird nicht einfach ihr Gewissen beruhigen, sie ist Teil des guten Lebens, das für die Mülltaucher dank des Mülltauchens eher ein solches ist als das Leben mit gekauften Nahrungsmitteln. Obwohl sie von außen wie Pauper aussehen, wenn sie nachts über den Containern hängen: Mülltaucher haben mehr. Genauer gesagt: Mülltaucher leben mehr.
    Dieses Lebensgefühl kann man bei allen Selbstversorgernheraushören. Das Leben ist reicher geworden, reich haltiger . Die Mühen und der Mehraufwand werden nicht als solcher empfunden. Die Selbstversorger tun ja in Stunden gesprochen vielleicht auch gar nicht mehr. In jedem Fall aber bekommen sie mehr von einer Qualität, die sie durch Märkte und gekaufte Güter nicht bekommen hätten: mehr Ruhe, mehr Zufriedenheit, Erzeugerstolz, Nähe

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