Einfach ein gutes Leben
bleiben. Tatsächlich verändert sich der Stellenwert der Arbeit als Kategorie für ein gutes Leben bereits, und die Glücklichen Arbeitslosen sind nicht die Einzigen, die das ahnen. Warum so viel Zeit auf bezahlte Erwerbstätigkeit verwenden, fragen sich immer mehr Skeptiker, und meinen eigentlich verschwenden . Man könne gut mit einem Drittel der Zeit auskommen, meint zum Beispiel Frauke Hehl. Von der Ausbildung Architektin, ist sie mittlerweile zu einem lebenden Experiment in Sachen alternativer Erwerbsformen geworden. Sie wurde bereits während ihres Studiums skeptisch angesichts ihrer späteren Anstellungschancen, die Skepsis dehnte sich bald auf Erwerbsarbeit schlechthin aus. Heute macht sie Front für Alternativen zur Arbeit, sie praktiziert selbst erfolgreich ein Ein-Drittel-Modell.
Die Philosophie der Drittelung existenzsichernder Tätigkeiten hat engagierte Vorbilder. Sie wurde in jüngerer Zeit vor allem von Frithjof Bergmann populär gemacht. Erwerbszeit wird in seinem Modell der »Neuen Arbeit« gleichmäßig aufgeteilt zwischen dem, was wir heute als Lohnarbeit bezeichnen würden, einem anderen Teil Eigenarbeit, die Bergmann mit Hightech-Maschinen realisiert sehen will (sein »Personal Fabricator« kommt den Geräten, die in FabLabs stehen, sehr nahe), und schließlich einem dritten Teil, der aus Tätigkeiten besteht, »die wir wirklich, wirklich wollen« – selbstbestimmter Arbeit also. »Neue Arbeit« beinhaltet mit anderen Worten, Erwerbsarbeit auf ein geringeres Maß herunterzubringen und damit Zeit für anregende, selbst gewählte Tätigkeiten zu haben, bei denen sich der Mensch als Mensch weiterentwickeln kann und seinen grundlegenden Bedürfnissen frei nachgehen kann. 68
Einen sehr ähnlichen Gedanken hatte auch André Gorz. Er verbindet ihn mit einem allgemein-kapitalismuskritischen Dreh: »Es geht um die Möglichkeit, die persönliche Autonomie in einer Weise und einem Ausmaß zu entfalten, die sich nicht länger nach den Bedürfnissen der Unternehmen richten.« Er nennt seine Vision die »Multiaktivitätsgesellschaft«, in der alle versorgenden (also im umfassenden Sinn »ökonomischen«) Aktivitäten gleich bewertet sind und ihnen derjeweils angemessene Platz eingeräumt wird. Sein Vorschlag zielt darauf, »die Arbeitszeit in die differenzierte Zeitlichkeit eines multidimensionalen Lebens in Übereinstimmung mit den herrschenden kulturellen Bestrebungen« zu integrieren und somit Zeitsouveränität zu erreichen. Bergmanns Initiative »Neue Arbeit« ist mit ihren Aktivitäten auf dem Weg dorthin. 69
Frauke Hehl lebt nicht nach einem Modell. Sie teilt ihre Arbeit dennoch auf, einfach weil es dem am besten entspricht, was ihr im Leben wichtig ist. Mit der Konsequenz, auch nur einen Teil eines normalen monetären Einkommens zur Verfügung zu haben, kann sie gut leben. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt durch Gelderwerb, Selbstversorgung und Eigenarbeit und kommt damit Bergmanns oder Gorz’ Ideal schon ziemlich nah. Frauke Hehl ist unter anderem eine der Gründerinnen der »Rosa Rose« (siehe Kapitel 2) und unterstützt die Idee der Nachbarschaftsgärten, wo sie kann.
In Hehls Perspektive wird Arbeit plötzlich facettenreich, die klassische Erwerbstätigkeit nimmt in ihr nur einen nebengeordneten Platz unter mehreren andersartigen Tätigkeiten ein. Gelderwerb ist den anderen Beschäftigungen gleichwertig – aber auch nicht mehr. »Das Schwierigste ist, erst einmal den Eindruck loszuwerden, dass wir so vom Geld abhängig sind. Geld ist für mich nur eine von vielen Ressourcen«, sagt Hehl im Interview. »Es geht nicht darum, Geld total abzulehnen. Aber ich versuche, mich nicht durch Geld, Titel etc. erpressbar zu machen.« Was sie benötigt, beschafft sie, so weit es geht, durch materielle Eigenleistung, Bares ist nur nötig, wo das nicht reicht oder zusätzliche Wünsche entstehen. Sie ist auch für ihre Seelenruhe nicht von einem »Dr.« vor dem Namen oder »einem Krokodilchen auf dem Shirt« abhängig. Das Überleben ist gesichert und mehr noch:
»Ganz viel von dem, was für mich ein gutes Leben bedeutet, findet statt in meinem Leben. Das ist die Vielfalt und der Kontakt mit vielen Menschen. Das ist die Fähigkeit, mit mir selber auszukommen. Auch finanziell hab ich keine Probleme mehr, nicht weil ich so viel Geld zur Verfügung habe, sondern weil ich unheimlich gut mit wenig Geld auskomme. [Das bedeutet nicht] Einbuße von Lebensqualität, sondern imGegenteil. Für mich sind das
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