Einfach ein gutes Leben
gehören demnach immer zwei Parteien (es sei denn, es ist eine selbständige Tätigkeit): ein Arbeitgeber und eine Arbeitnehmerin. Das Verhältnis ist streng geregelt und sieht einen idealiter gerechten Tausch von Lohn (und damit Konsummöglichkeiten) gegen Tätigkeit unter den oben genannten Bedingungen vor.
Die Entscheidung, wie und wann welche Arbeit zu welchen Zielen zu geschehen hat, obliegt dabei dem Arbeitgeber. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist Arbeit mithin immer fremdbestimmt und extrinsisch motiviert (positiv durch das Entgelt, negativ durch Androhung von Sanktionen wie die Entlassung). In diesem Tauschverhältnis ordnen sich die Arbeitenden, ohne unmäßigen Widerspruch zu leisten, dem »fordistischen Gesellschaftsvertrag« unter, »der ungeschriebenen Übereinkunft, dass entfremdete Arbeit durch stetig steigenden Lebensstandard und dauerhafte Anstellung entgolten wird«. 66
Zusammen genommen sind das in nuce die klassischen Merkmale, die »Arbeit« heute kennzeichnen. Dass sie nicht auf jede Erwerbsarbeit genau zutreffen, versteht sich, Arbeit ist enorm vielgestaltig. »Heute« heißt: seit etwa 200 Jahren, also seit der Durchsetzung des Kapitalismus, wie wir ihn kennen. Die Gestalt der Arbeit, die uns so selbstverständlich erscheint, ist mit anderen Worten eine historische Neuheit und unterliegt außerdem bestimmten Voraussetzungen. Arbeit ist nicht einfach so, wie sie ist, ihre Voraussetzungen können abgelehnt werden. Genau das geschieht bereits.
Die Glücklichen Arbeitslosen sind nicht glücklich. Nicht mit der Arbeit. Sie lehnen sie ab – nicht etwa, weil sie den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen wollten. Die Glücklichen Arbeitslosen wollen nur nicht länger unter der »Diktatur der Lohnabhängigkeit« knechten müssen, für besser halten sie es, auf marktwirtschaftlich organisierte Beschäftigung zu verzichten. Was sie ablehnen, ist mithin die oben skizzierte Form von Arbeit. Sie stört die Entfremdung vom eigenen Tun, dem der Eindruck von Nützlichkeit verloren gegangen ist. Sie stört die Geldform der Entlohnung einschließlich der darin verpackten Bedrohung, dass, wer keinen Geldlohn mehr bekommt, sehr knapp und knauserig leben muss. Aus diesem Grund sprechen sie lieber von »Geldlosen« statt von »Arbeitslosen«. Sie stört der Mangel an Lebensfreude in der Arbeitswelt, der Mangel an menschlichen, vor allem zwischenmenschlichen Erfahrungen, der noch gravierender wird für denjenigen, der seine Arbeit verliert. Und sie stört die Misere aller Arbeitslosen, die nur deshalb so tief sei, weil Arbeit der höchste, vielleicht der einzige verbliebene Wert sei, den sie kennen.
Höchste Zeit, gegenzusteuern und in Wort und Tat alternative Werte zu verbreiten, meinen die Glücklichen Arbeitslosen. Sie trauen sich, ein tätiges Leben völlig neu zu denken, eines, das ohne Arbeit auskommt. Eine Utopie? Mitnichten!
»Der Utopist entwirft die genauen Pläne einer angeblich idealen Konstruktion und erwartet, dass die Welt sich in diese Form gießt. Dagegen ist der Glückliche Arbeitslose eher ein Topist: Er bastelt mit Orten und Sachen, die schon vorher vorhanden sind. Er konstruiert kein System, sondern sucht nach allen Möglichkeiten, sein Umfeld zu verbessern.« 67
Die Glücklichen Arbeitslosen basteln tatsächlich noch, sie experimentieren, stellen neue Möglichkeiten in den Raum. Auch sie haben die schöne, heile, arbeitslose Welt noch nicht erfunden, aber sie wissen um ein paar Dinge, auf die es ankommt: die Rückaneignung der Zeit zum Beispiel. Sie haben erkannt, dass eine Zweiteilung der verfügbaren Stunden in »Arbeitszeit« und »Freizeit« in Wahrheit den ganzen Tag unter die Verfügung der Arbeit stellt, weil die Freizeit de facto aus den Stunden besteht, die einer möglichst effektiven Regeneration für die erneute Erwerbsschufterei zugemessen sind. Die Arbeitslose kann deshalb glücklich sein, weil ihr die Zeit wieder komplett zur eigenen Verfügung steht.
Der freiwillige Verzicht der Glücklichen Arbeitslosen auf eine Utopie spiegelt letztendlich ihre Rolle als Sucher im Nebel wider. Sie versuchen, zeitkritisch und konstruktiv zugleich ein Bild von Tätigkeit außerhalb der herkömmlichen Erwerbsgesellschaft zu entwerfen. Sie wissen aber auch, dass ihre Initiative ohne eine gesellschaftliche Anerkennung der Idee, Arbeit sei nicht der wichtigste aller Werte, schließlich folgenlos bleiben wird.
Es sieht allerdings so aus, als sollte ihrer Idee die Anerkennung nicht länger versagt
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