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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ploeger
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alles Lebensmittel: die sozialen Beziehungen, die Kontakte, das, was ich esse, es gehört alles zu den Lebensmitteln dazu.« 70
    So könnte es am Ende sogar zu unserem Besten sein, dass die Arbeitswelt sich wandelt und wir endlich beginnen, den Wert der Erwerbsarbeit zu überdenken. Dem guten Leben könnten Haltungen wie die von Frauke Hehl in der historischen Situation, in der wir uns bewegen, großen Vorschub leisten. Die Arbeitsgesellschaft ist in einer Umwälzung begriffen, die bis auf ihre Fundamente reicht. Ihr geht allmählich die Arbeit aus, wie Hannah Arendt bereits in den 50er-Jahren prophezeit hatte 71 , das heißt: die bezahlten Tätigkeiten, nicht etwa das, was zu tun wäre. Die Arbeitsgesellschaft produziert damit zum einen mehr und mehr Arbeitslose, von denen die wenigsten zu den Glücklichen zählen dürften. Zum anderen tut sie etwas Subtileres, das sich leicht durch Statistiken fortschweigen lässt und deshalb bisher für weit weniger Bohei gesorgt hat als die immer mal wieder hoffnungsbegründend positiv notierenden Arbeitslosenzahlen. Immer mehr aus dem begrenzten Pool der Erwerbsarbeit fließt in Lohnmodelle, die für die Existenzsicherung nicht reichen: in Teilzeitarbeit, Leiharbeit, befristete Anstellungen, ins Mini- oder Multijobbing. Zwar bleibt das gute alte Normalarbeitsverhältnis weiterhin stark (statistisch), aber die sogenannten untypischen Erwerbsformen schließen rapide auf. Im Endeffekt gibt es zwar immer mehr Beschäftigte (auf den ersten Blick eine gute Nachricht), viele landen aber in Jobs, von denen sie nicht leben können und die sie außerdem deutlich schneller wieder verlieren können als eine Festanstellung. Alle Jobfluktuationen und Einkommenstäler berücksichtigt, könnte die Arbeitsgesellschaft bald in eine Situation geraten, in der »jene zu einer Minderheit werden, die eine dauerhaft über der Armutsgrenze liegende Erwerbsbiografie aufweisen«. Das würde bedeuten, dass »die Integrationspotenziale der Marktvergesellschaftung irgendwann erschöpft« wären. Der alte Arbeitsbegriff, konstatiert auch der Kasseler Sozialforscher Heinz Bude, hat seinen Bezug zur Realität verloren. Selbst prinzipielle Rechte – auf Arbeit etwa oder auf Bildung – nützennichts mehr, wenn ihnen »keine aktuellen Chancen entsprechen«. 72
    Dabei war die Arbeitsgesellschaft nie eine »Arbeit total«-Gesellschaft. Vollbeschäftigung wurde in der Moderne nur ein einziges Mal für einen sehr knappen Zeitraum erreicht, danach war der »kurze Traum immerwährender Prosperität« schon ausgeträumt. Aber selbst unter Vollbeschäftigung erreicht die Zahl der Erwerbsfähigen (also aller Personen, die prinzipiell alt, gesund und ausgebildet genug sind, um eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können, inklusive der Arbeitslosen) kaum Werte über 50 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der EU-Durchschnitt lag in den 90er-Jahren bei 45 Prozent. Was ist nun mit der anderen Hälfte, die ja zwar nicht zu denen gerechnet wird, die Erwerbsarbeit leisten können, aber doch andere Tätigkeiten ausüben können?
    Dazu gehören beispielsweise Kinder und Rentner, die per se noch nicht beziehungsweise nicht mehr erwerbsfähig sind. Rechnet man sie aus der Gesamtbevölkerung heraus, müssten also fast ausschließlich die Erwerbspersonen übrigbleiben. Das stimmt aber faktisch nicht: So gerechnet liegt der Anteil der Erwerbsfähigen in Deutschland immer noch bei nur gut 70 Prozent und nicht bei annähernd 100. 73 Es bleibt ein Rest von knapp 30 Prozent. Diese 30 Prozent leisten demnach unbezahlte Subsistenzarbeit: Haus-, Garten-, Pflege-, Erziehungsarbeit und so weiter.
    Das tut allerdings auch der allergrößte Teil der Erwerbsfähigen unabhängig von seinen monetären Bezügen (Lohn oder Transferleistungen) in seiner »Freizeit«. Drittens sind die Kinder und Rentner ebenfalls an der Subsistenzarbeit beteiligt, indem sie beispielsweise im Haushalt helfen oder ein Ehrenamt bekleiden. (All diese Tätigkeiten zusammen genommen erklären die hohen Stundenzahlen für informelle Tätigkeiten, die ich in Kapitel 3 in einer Tabelle aufgelistet habe.) Unterm Strich heißt das: Alle sind – in der Hauptsache oder nebenbei – mit Subsistenzarbeit beschäftigt, aber nur die Hälfte mit Erwerbsarbeit.
    Dennoch bleibt die Existenzsicherung Sache des Erwerbs. Die Lohnbezieher versorgen nicht nur sich selbst, sondern auch die nicht arbeitenden Mitglieder ihrer Familie sowieüber ihre Abgaben auch die Transferleistungen beziehenden

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