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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ploeger
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monetäre Belohnung. 98
    Unterm Strich tut Tätigsein um des Tuns willen mithin sowohl dem Tätigen gut als auch dem Objekt der Tätigkeit. Ein guter Teil der Eigenarbeit wird aus dem Grund geleistet, dass die Arbeitenden die Stärke ihrer inneren Anreize entdecken und darüber zu einem größeren Respekt gegenüber sich selbst und dem Produkt ihrer Arbeit finden. Die Erkenntnis als solche ist freilich alles andere als neu. Aristoteles hatsie in sein Begriffspaar »Poiesis versus Praxis« gegossen. »Poiesis« meint eine zielgerichtete Tätigkeit, die auf etwas Herzustellendes gerichtet ist. »Praxis« bezeichnet ein Tätigsein mit einem Selbstzweck, das um der Tätigkeit willen ausgeübt wird. Die Praxis ist es, die die Selbstversorger, Eigenarbeiter, Arbeitssammler, »Müßiggänger« und alle anderen hier Versammelten suchen. Sie wollen nicht länger produktiv sein im Sinne der Outputsteigerung. Sie wollen produktiv sein in der Art, die Erich Fromm formuliert hat. Produktivität, schreibt er in Psychoanalyse und Ethik , sei »die Fähigkeit des Menschen, seine Kräfte zu gebrauchen und die in ihm liegenden Möglichkeiten zu verwirklichen. Produktivität bedeutet, dass der Mensch sich selber als Verkörperung seiner Kräfte und als Handelnder erlebt; dass er sich mit seinen Kräften eins fühlt und dass sie nicht vor ihm verborgen und ihm entfremdet sind.« 99
    Mit anderen Worten: Produktiv ist ein Mensch, wenn er selbstbestimmt handeln kann.
Ich schufte gern
    Selbstbestimmung ist das Schlagwort, das alle bis hierher beschriebenen Bemühungen um eine »andere Wirtschaft« im Kleinen vereint, von den Selbstversorgern im Oderbruch bis zu den um neue Jobmodelle ringenden Arbeitssammlern. Peter Huth zum Beispiel ist es wichtig »nach seinen Fähigkeiten arbeiten zu können« (siehe Kapitel 2). Christian Siefkes sieht in der Peer Production eine dritte Produktionsweise neben der Produktion für den Markt und der staatlich geplanten Produktion. Diejenigen, schreibt er, »die sich ohne Bezahlung an Peer-Projekten beteiligen, kooperieren frei miteinander«. Und Gernot Pflüger von CPP weiß:
    »Eine freiheitliche Entfaltung der Arbeitnehmer, die Wahrnehmung in den Unterschieden ihrer Persönlichkeiten, die Mitbestimmung und Mitgestaltung der Menschen eines Unternehmens, Zeitautonomie sind nicht nur möglich, sondern setzen eine enorme Produktivität, Flexibilität und Effizienz frei!«
    Daher sein Motto: »Mache das Unternehmen zu einem Ort, an dem du selbst gerne arbeiten würdest!« 100
    Viele der hier vorgestellten Initiativen bemühen sich sogar aktiv und explizit um mehr Selbstbestimmung in ihren jeweiligen Handlungsfeldern, zum Beispiel die Häuser der Eigenarbeit, die Tauschringe oder die Social-Commerce-Plattformen. Auch für die noch in Kapitel 5 und 6 vorzustellenden Initiativen hat das selbstbestimmte Tun einen hohen Stellenwert. Es ist für alle, so verschieden sie sein mögen, eine Triebkraft, ein Motiv und etwas, das sie in der Gesellschaftsordnung, in der sie leben, an bestimmten Stellen vermissen.
    Selbstbestimmung gehört unverzichtbar zu einem guten Leben. Martha Nussbaum hat sie nicht ohne Grund in Gestalt der letzten beiden Punkte in ihre Liste der Grundbefähigungen aufgenommen (»Die Fähigkeit, sein eigenes Leben und nicht das von jemand anderem zu leben. Die Fähigkeit, sein eigenes Leben in seiner eigenen Umgebung und seinem eigenen Kontext zu leben«). Wer sich als selbstbestimmt erlebt, ist zudem zufriedener, oder wie Claas Triebel es formuliert: »Das Ausmaß der empfundenen Selbstbestimmtheit ist ein besserer Indikator für die Zufriedenheit von Menschen als das in der Steuererklärung verzeichnete Einkommen.« 101
    Die neue Arbeit ist eine Bestätigung für die Annahme, dass die kapitalistische Marktwirtschaft dem guten Leben einige Hindernisse in den Weg legt (siehe Kap. 1): Freiheit wird gewünscht und ihre Erfüllung suggeriert, dennoch werden Bedürfnisse nach Selbstbestimmung nicht auf die Rechnung genommen. Es nähme also nicht Wunder, wenn in Zukunft immer mehr Menschen der Marktgesellschaft den Rücken kehrten. Zu einem höheren Maß an Selbstbestimmung müssten sie natürlich etwas beitragen – etwa so, wie es die Arbeitssammler tun – es wird nicht vom Himmel fallen. Ihre Bemühungen würden jedoch ins Leere laufen, wenn sie nicht dazu führten, dass einige Grundbedingungen erfüllt werden, ohne die ihre Arbeit keine selbstbestimmte wäre: Die Aufgaben müssen überschaubar sein

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